Remilitarisierung

Braune Relikte (14): Adler aus Sandstein.

Der faschistische Adler symbolisiert die NS-Remilitarisierung nach 1933. Der schnell und unter Umgehung der Regelungen des Versailler Vertrages betriebenen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung entsprach der ideologische Kult um die deutschen Soldaten, die 1914/18 ihr Leben „für das Vaterland“ geopfert hätten und nun durch die NS-Propaganda zu Vorbildern für die nächste Generation junger Deutscher stilisiert wurden. Ziel war die Umsetzung der militärischen Welteroberungspläne inklusive der ideologischen Vernichtungskriege.

Nachdem das deutsche Heer 1919 durch den Versailler Vertrag zur Verhinderung eines zukünftigen deutschen Angriffskrieges auf 115.000 Soldaten begrenzt worden war, wurde unter der NS-Herrschaft bei einseitiger Umgehung der Vereinbarungen am 16. März 1935 die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt und so die deutsche Wiederbewaffnung eingeleitet, die in vielen Städten für neue Kasernenbauten sorgte.

In Osnabrück begannen die Remilitarisierungspläne bereits im August 1934. Auf dem ehemaligen Flugfeld in der Netter Heide wurde eine Infanteriekaserne für 2.000 Soldaten errichtet. Die moderne militärische Anlage mit eigenem Schwimmbad wurde am 10. Oktober 1935 eingeweiht und vom neu aufgestellten Infanterieregiment Nr. 37 bezogen. An der traditionsbildenden Benennung nach dem früheren Kommandanten des Vorgängerregimentes Nr. 78, dem 1914 in der Marneschlacht gefallenen Oberst Wilhelm Carl Winkelhausen (1860–1914), lässt sich der Wunsch ablesen, die Ergebnisse des verlorenen Ersten Weltkrieges in einem erneuten Krieg zu revidieren.

Neben einem Offiziersheim (1937) entstand in einem zweiten Bauabschnitt auf dem Areal westlich zum angrenzenden Hafen bis 1938 das Heeresverpflegungsamt mit Heeresverpflegungslager. Entlang der Kaimauer wurden fünf markante mehrgeschossige Speichergebäude errichtet, ferner eine Bäckerei, Scheunen, Verwaltungsgebäude und Garagen. Dort wurde Mehl gelagert und Brot gebacken, das während des Zweiten Weltkrieges per Eisenbahn über den vorhandenen Gleisanschluss an die Front transportiert wurde. Vom Einfahrtstor des Lagers stammt die Adlerskulptur, die dort, am Entrée der Militärkaserne, als neues Herrschaftssymbol den nach 1933 wieder wachsenden Machtanspruch des Deutschen Reiches sichtbar machte. Der Bau der „Winkelhausen-Kaserne“ war eine der größten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der NS-Zeit in Osnabrück, die Remilitarisierung mithin auch ein bedeutender ökonomischer Faktor. Der Rüstungsetat stieg reichsweit 1933-38 von unter einer auf fast 16 Milliarden RM.

1937/38 baute die Heeresbauverwaltung an der Sedanstraße auf 14,2 Hektar für die 20 Offiziere, 82 Unteroffiziere, 505 Mannschaften und 500 Pferde der 3. Abteilung des Artillerieregiments Nr. 6 die „Scharnhorst-Kaserne“. Der Standard der realisierten Gebäude entsprach weitgehend einem normierten Prototyp zwei- bis dreigeschossiger Walmdachgebäude, der im Zuge des nationalsozialistischen Remilitarisierungsprogrammes entworfen worden war. Neben einem Adler mit umkränztem Hakenkreuz in den Klauen am Eingangstor zeugten auch die beiden gewaltigen, mit Hakenkreuzfriesen verzierten schmiedeeisernen Gitter der Militärarrestzellen, im ersten Gebäude rechts am Haupteingang von der Entstehungszeit der Kasernenbauten.

Gegenüber der Scharnhorst-Kaserne entstand 1938 mit der Metzer-Kaserne ein weiterer Neubau für den Stab des Artillerieregimentes Nr. 6. Über die festen Kasernenbauten hinaus wurde im Rahmen der Mobilmachungspläne ab 1937 in der Eversheide in Atter ein Lager eingerichtet, das zunächst für die Aufstellung eines Tochterregimentes des Infanterieregiments Nr. 27 gedacht war. Diese Ergänzungseinheit wurde zu Kriegsbeginn das 2. Bataillon des Infanterieregiments Nr. 184. Unvollendet blieb das geplante Wehrmachtslazarett im Natruper Holz.

 

Zu dieser Serie
Es ist die Geschichte einer Stadt, doch was hier geschah, ereignete sich auch in vielen anderen deutschen Städten. Die Serie „Braune Relikte“ basiert auf der Sammlung Nationalsozialismus, die sich im Museumsquartier Osnabrück befindet. Anhand von Objektbiografien wird die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Ursachen und Folgen veranschaulicht. So entsteht ein virtueller Lernraum, der die Fundstücke einer Diktatur analysiert, um Lernprozesse für demokratische Gesellschaften zu ermöglichen.