Nach zunächst gescheitertem Studium an der Pelztier-Universität Hagen-Haspe trifft Kater Sammy auf den Schwanzlurch Horst, der ihm Obdach in der Siedlung seiner Schwanzlurch-Gemeinde im Sauerland gewährt. Doch das ist nur der Anfang.
Denn als eine raffgierige Puffotter namens Penny ihr Königreich erweitern möchte und Ansprüche auf die Atta-Höhle, in der die Lurche leben, anmeldet, begibt sich das Duo auf einen äußerst gefährlichen Undercover-Einsatz, um die mafiösen Strukturen, auf die das Schlangenreich aufbaut, zu unterwandern und den Lebensraum der Grottenolme zu retten.
Carsten Wunns „Unter Olmen“ verspricht ein außergewöhnliches Leseerlebnis, so viel ist bereits ab der Lektüre der ersten Seite klar. Denn die tierischen Protagonisten, die äußerst menschenähnlich dargestellt werden, leben in einer Art Parallelwelt, abseits der Wahrnehmung der Menschen. Der Humor ist bewusst skurril gehalten und wirkt gerade deshalb äußerst erfrischend.
Die Charaktere sind fein gezeichnet, holen den Leser auf eine lockere, charmante Art ab und sorgen für einen interessanten Perspektivwechsel. Sammy ist äußerst sympathisch und auf der Suche nach seinem eigenen Platz in der Welt. Auch Horst – ein Außenseiter, da er als Findelei unbekannter Herkunft unter den Olmen aufgewachsen ist – kämpft um Anerkennung in einer Gesellschaft, in die er nicht so recht zu passen scheint. Die Storyline baut einen schönen Spannungsbogen auf, der jedoch erst etwas in Fahrt kommen muss.
Spannungsbogen mit unterschwelliger Gesellschaftskritik
In „Unter Olmen“ erhalten wir Einblicke in eine Parallelwelt, die uns auf charmante Weise den gesellschaftlichen Spiegel vorhält und so leise, aber fundiert zum Nachdenken anregt. Gewissermaßen sensibilisieren die Diskussionen um Nahrungsketten, Leistungsdruck, familiäre Erwartungen, Identität und weitere Themen sogar auf eine ganz eigene, humorvolle Weise.
Auch offenere Konflikte werden thematisiert: Die von Hybris zerfressene Puffotter Penny, die ihr Königreich in Nordrhein-Westfalen errichten will, und ihr Hofstaat lassen eindeutige Parallelen zur Reichsbürgerwegung erkennen. Spätestens hier wird der Ernst der Lage, in der sich die Bewohner des Atta-Höhlensystems befinden, klar. Immer wieder verschwimmt die Grenze zwischen Tier- und Menschenwelt, was enorm zur Spannung der Handlung beiträgt.
Viele Schilderungen bringen zum Schmunzeln. So beispielsweise die Küchenausstattung der Studenten-WG von Sammy: Sämtliches Geschirr ist mit dem Logo des Studentenwerks versehen – ein Phänomen, das viele Leser aus ihrer eigenen Studienzeit kennen dürften. Oder der betörende Duft von Sammys Herzensdame, die ein Parfum namens Chantal No. 5 trägt.
Interessanter Meta-Plot
Einige kleinere Schwachstellen weist der Roman auf. Das tut dem Lesegenuss aber keinen Abbruch, da sich im Laufe der weiterführenden Lektüre gewisse Entwicklungen und Erklärungen ergeben.
So erinnert der Einstieg in die Storyline allzu sehr an die erste Begegnung eines gewissen kommunistischen Beuteltiers und eines Berliner Kleinkünstlers. Vermutlich als Hommage zu verstehen, drängt sich hier leider zunächst der Gedanke auf, dass ein wenig abgekupfert wurde. Dieser Eindruck revidiert sich aber alsbald.
Denn es handelt sich um einen gut eingebundenen Meta-Plot, in dem der Autor von selbst als Protagonist auftritt und die Rolle des Chronisten der Abenteuer der beiden Freunde Sammy und Horst einnimmt. Im heimischen Wohnzimmer arbeiten Sammy und Carsten Wunn gemeinsam daran, die Geschehnisse in einen Roman zu verpacken.
Eine schöne Idee, die – immer mal wieder zwischen die Kapitel der Haupthandlung geschoben – überraschend gut funktioniert.
Alles in allem ein innovativer Roman, der kleine Schwächen aufweist, über die sich aber leicht hinweglesen lässt. Insgesamt nimmt der Plot mit zunehmender Seitenzahl an Fahrt auf, sodass es Freude bereitet, der einzigartigen Geschichte von Sammy und Horst zu folgen. Mit dem Umblättern der letzten Seite wird man beinahe ein wenig wehmütig, denn dieses Buch macht Lust auf mehr.
Carsten Wunn: Unter Olmen. Ein Schwanzlurch erobert die Welt, U-Line-Verlag, 16,95 €
