Dass die Vergangenheit einer Stadt nicht verändert werden kann, wenn Seiten aus ihrem Goldenen Buch entfernt werden, liegt auf der Hand. Trotzdem verschwanden landauf landab Einträge aus der Zeit der Nationalsozialismus – so zum Beispiel in Lübeck, Braunschweig, Greifswald oder auch München. Andernorts galten die Folianten als Dokumente der Zeitgeschichte. Sie bewahren bis heute auch die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte.
In Münster kann man auf diesem Wege einen Blick in die Stadtgeschichte werfen – hier trug sich Alfred Rosenberg am 16. Januar 1939 anlässlich der Überreichung des Ehrenbürgerbriefes in das Goldene Buch ein.
Für Hitler war er der „Kirchenvater des Nationalsozialismus“ und auch wenn sich Historiker über die tatsächliche Bedeutung Rosenbergs innerhalb des NS-Staates nicht völlig einig sind, kann es keinen Zweifel daran geben, dass er zu den unheilvollsten Protagonisten des Regimes gehörte.
Schon 1923 übernahm Alfred Rosenberg die Chefredaktion des „Völkischen Beobachters“. Er verfasste die Kampfschrift „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“, wurde Beauftragter für die weltanschauliche Erziehung der NSDAP und schließlich Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Als solcher spielte er auch bei der Planung und Organisation des Holocaust eine zentrale Rolle.
Mit Münster verband Rosenberg eine besondere Beziehung, denn der dortige Bischof Clemens August von Galen widersetzte sich immer wieder dem Versuch, die Glaubensinhalte der katholischen Kirche durch einen rassistischen „Mythus von Volksseele und Ehre“ abzulösen. 1935 versuchte der Geistliche, einen öffentlichen Auftritt des Chefideologen zu verhindern. Rosenberg warf ihm daraufhin „Aufpeitschung der Bevölkerung“ vor und besuchte Münster noch mehrfach. 1939, anlässlich der Überreichung des Ehrenbürgerbriefes, mit der sich die Stadtoberen durchaus demonstrativ vom Münsteraner Bischof distanzierten – oder 1941, als Rosenberg die Front des Reichsarbeitsdienstes abschritt.
Fünf Jahre später wurde Alfred Rosenberg im Rahmen der „Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse“ angeklagt, verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet. Clemens August Graf von Galen starb bereits im März 1946 – wenige Tage nach der Verleihung des Ehrenbürgerbriefes der Stadt Münster. Rosenberg war diese Auszeichnung schon 1945 wieder aberkannt worden.