Schriftzeichen: Eugen Gerstenmaier

Er war Mitglied des „Kreisauer Kreises“ und am missglückten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt. Eugen Gerstenmaier gehörte jedoch zu den wenigen verhafteten Widerstandskämpfern, die vom Volksgerichtshof nicht zum Tode verurteilt wurden.

Der Beklagte sei „weltfremd und unter Umständen noch für die Gemeinschaft wiederzugewinnen“, befand der berüchtigte Gerichtspräsident Roland Freisler und verhängte eine siebenjährige Zuchthausstrafe.

Gerstenmaier war seit 1933 immer wieder mit dem Regime in Konflikt geraten. Er wurde als „fanatischer Anhänger der Bekenntniskirche“ eingestuft, der sich „klar gegen die nationalsozialistische Weltanschauung“ gestellt habe. Tatsächlich bestritt der 1906 geborene Theologe schon in seiner Dissertation die Rechtmäßigkeit des staatlichen Anspruchs, wenn der Staat mit diesem Anspruch seine eigene Gemeinschaft nicht mehr schützen, sondern sie gefährden oder gar verletzen sollte.

Eugen Gerstenmaier (l.) mit Bundeskanzler Konrad Adenauer im September 1958.

Im April 1945 wurde Gerstenmaier von amerikanischen Truppen aus dem Zuchthaus befreit. Er war maßgeblich am Aufbau des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland beteiligt, wurde Bundestagsabgeordneter für die CDU und 1954 schließlich Präsident des Deutschen Bundestages. Die zweithöchste Position in der Bundesrepublik bekleidete er gut 14 Jahre – länger als jeder seiner Vorgänger und Nachfolger.

Im März 1968 kam Eugen Gerstenmaier nach Osnabrück, um mit 1.400 Ehrengästen an der Einweihung des nach Graf Stauffenberg benannten Gymnasiums teilzunehmen. Er trug sich mit Franz Ludwig Graf Stauffenberg, einem der Söhne des Hitler-Attentäters, ins Goldene Buch der Stadt ein, die 1648 (neben Münster) der entscheidende Schauplatz für die Verhandlungen zum „Westfälischen Frieden“ war.

Mit Blick auf den Ort, an dem die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges beendet wurden, erklärte Gerstenmaier, es müsse für jeden geschichtsbewussten Deutschen eine Freude sein, „an einer solch ehrwürdigen Stätte unserer Geschichte zu stehen“.

1969 trat Eugen Gerstenmaier nach öffentlichen Kontroversen, u.a. über seine Ansprüche auf Wiedergutmachungsleistungen, vom Amt des Bundestagspräsidenten zurück. Er starb am 13. März 1986.

 

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