Schriftzeichen: Gottfried von Einem

Seine Tonsprache blieb tonal, die Textgrundlagen seiner Erfolgsopern „Dantons Tod“ (1947), „Der Prozess“ (1953) oder „Kabale und Liebe“ (1974) waren Weltliteratur. Der traditionsbewusste Gottfried von Einem nahm in der zeitgenössischen Musik eine Sonderstellung ein.

Von Einems Schüler HK Gruber würdigte sein Schaffen deshalb sicher zu Recht als „Lebenswerk in glanzvoller Bündnislosigkeit“. Gleichwohl hatte Gottfried von Einem viele einflussreiche Fürsprecher, die seine Werke in die großen und kleinen Theater und Konzerthäuser holten. Zu ihnen gehörte auch Alfred Walter, der von 1970 bis 1985 Generalmusikdirektor der Städtischen Bühnen Münster war. Der österreichische Dirigent setzte seinen Landsmann immer wieder auf den Spielplan und brachte mit Instrumentalisten des Münsteraner Orchesters 1979 den „Rindlberger Marsch“ zur Uraufführung.

Fünf Jahre zuvor hatte sich der Komponist in das Goldene Buch „der alten geschichts- und kulturbewussten Stadt“ eingetragen – nicht ahnend, dass der Name „von Einem“ ebendort noch einmal eine Auseinandersetzung über die Bewertung historischer Vorgänge entfachen würde.

Gottfried von Einem

2002, sechs Jahre nach seinem Tod, wurde Gottfried von Einem in Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet, weil er während der Nazizeit den jüdischen Musiker Konrad Latte unterstützt und vor der Deportation gerettet hatte.

2013 erreichte die Bezirksvertretung-Mitte dann eine Bürgeranregung mit dem Vorschlag, die Münsteraner Von-Einem-Straße umzuwidmen. Sie sollte künftig nach dem Komponisten Gottfried von Einem benannt werden und nicht mehr nach dem General Karl von Einem (1853-1934), der 1907 in einer Reichstagsdebatte die „Vernichtung“ homosexueller Offiziere gefordert hatte, wenn sie die preußische Armee nicht freiwillig verlassen sollten.

Der ranghohe Offizier, der von 1903 bis 1909 preußischer Kriegsminister war, hatte lange Jahre in Münster gelebt und wurde auf dem dortigen Zentralfriedhof beigesetzt. Die umstrittene Benennung datierte aus dem Jahr 1962, es gab aber auch in anderen Städten Straßen, die den Namen des Generals trugen.

Karl von Einem

In Berlin, wo zunächst ebenfalls eine Umwidmung für Gottfried von Einem zur Debatte stand, und Verden an der Aller wurden sie allerdings später wieder umbenannt – auch mit Hinweis auf die rückhaltlose Begeisterung, mit welcher der pensionierte General die Machtergreifung der Nationalsozialisten gefeiert hatte: „Dankbar begrüßen wir deshalb das 1933 angebrochene Zeitalter der nationalen Erhebung, das von heroischen Persönlichkeiten und seiner hingebenden Gefolgschaft herbeigeführt wurde,“ schrieb Karl von Einem im Sommer 1933. 14 Jahre später hieß die Münchner Von-Einem-Straße aus Gründen der „Entmilitarisierung“ bereits Löwithstraße.

Die Verwaltung in Münster sah vor wenigen Jahren „keinen hinreichen Grund“ dem Antrag zu folgen. Die „Von-Einem-Straße“ heißt noch immer nach dem General – wie auch die in seinem Geburtsort Herzberg am Harz oder die in Essen-Rüttenscheid. Hier plädierte eine Initiative dafür, die nach den Weltkriegsgenerälen von Seeckt und von Einem benannten Straßen in Irmgard- und Ortrudstraße umzubenennen. 2013 entschieden sich im Rahmen eines Bürgerentscheids rund 80% der Teilnehmenden gegen eine Veränderung. Wer durch eine Gottfried-Von-Einem-Straße gehen möchte, muss nach Niederösterreich reisen, etwa nach Litschau oder Tulln an der Donau.