Schriftzeichen: Regine Hildebrandt

Es gibt einige Politikerinnen und Politiker, die auch außerhalb ihrer Parteigrenzen Respekt und Anerkennung finden. Aber echte Sympathie ist selten. Regine Hildebrandt wurde sie reichlich zuteil, doch die „Mutter Courage des Ostens“ war in mehrfacher Hinsicht ein echter Ausnahmefall.

1941 in Berlin geboren, wuchs sie im Osten und Westen der später geteilten Stadt auf. Sie studierte an der Humboldt-Universität Biologie, nachdem ihr ein Studienplatz wegen fehlender Mitgliedschaft zunächst verweigert worden war,

Als die DDR in sich zusammenbrach, überstürzten sich die Ereignisse. Regine Hildebrandt, Mitglied in der Bewegung „Demokratie Jetzt“ und der ostdeutschen SPD, wurde beim ersten demokratischen Urnengang in die Volkskammer gewählt. Ihren weiteren politischen Werdegang schilderte sie später wie folgt: „Weil unter den Blinden der Einäugige König ist und wir Minister finden mussten, war ick eben über kurz oder lang Minister. So isses.“

Die Ministerin für Arbeit und Soziales der zum Beitritt bestimmten DDR wurde im Herbst 1990 in nahezu identischer Funktion Mitglied der ersten brandenburgischen Landesregierung. Ihr Credo, sie interessiere sich nicht für Politik, sondern nur für Menschen und ihre Schicksale, trug ebenso zu Hildebrandts großer Popularität bei, wie ihr burschikoses Auftreten und ihre unverblümte, immer authentische Sprache.

Theoretische Debatten waren nicht unbedingt ihre Sache, doch Hildebrandt bewies ein nicht alltägliches Gespür für die Bedingungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Bedeutung sozialer Gerechtigkeit. Mit dem Grundsatz „Erzählt mir doch nich, dasset nich jeht!“ bewegte sie Manches, was zuvor unbeweglich schien. Zu ihren bleibenden Verdiensten gehört neben dem Grundsatz, lieber Arbeit als Arbeitslosigkeit zu finanzieren, das Investitionsprogramm Pflege und das Engagement für die berufliche Gleichstellung von Frauen.

Sich selber nahm sie dabei nie besonders wichtig. Ein kleines Indiz dafür ist dieser Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Münster, auf dem ihr Namenszug unter der Wucht von Amt und Titel zu verschwinden scheint:

Als Regine Hildebrandt 1999 aus Protest gegen die von Ministerpräsident Manfred Stolpe angestrebte Koalition mit der CDU ihren Ministerposten ausgab, blieb sie trotzdem eine hörbare Stimme in der deutschen Politik – bis zu ihrem viel zu frühen Tod am 26. November 2001.