Sechs Symphonien als Drama in zwei Akten

Die Hamburger Symphonien, die Carl Philipp Emanuel Bach ihrem Auftraggeber, dem Baron Gottfried von Swieten widmete, gelten als ein Höhepunkt seines umfangreichen Schaffens. Das Ensemble „Arte dei Suonatori“ und der Cembalist Marcin Świątkiewicz bauen aus den unkonventionellen Stücken ein „Instrumentales Theater der Affekte“, das den Zuhörer über knapp anderthalb Stunden in Atem hält.

Dabei folgt diese historisch orientierte Einspielung nicht der Nummerierung der Werke – und auch der symphonische Fluss wird immer wieder unterbrochen, damit Marcin Świątkiewicz den Bach-Sohn am Beispiel von vier Solofantasien als Meister der Improvisation vorstellen kann.

Die bisweilen abenteuerlichen Exkursionen auf dem Cembalo werfen dann wieder Schlaglichter auf die Symphonien, die sich in bemerkenswerter Weise vom höfisch-unterhaltsamen Stil abwenden und eine Art musikalischer Sturm-und-Drang-Dramaturgie entwickeln. Überraschende Wendungen, scharfe Kontraste und nachgerade experimentelle Passagen finden sich hier zuhauf und so bedarf es wohl tatsächlich der von „Arte dei Suonatori“ angedachten Pause in Form eines imaginierten Szenenwechsels zwischen B- und A-Dur-Symphonie, um im Sturm der Farben und Affekte einmal Luft zu holen.

So entwickelt sich – im Widerspiel der als Rezitative fungierenden Fantasien und der als Arien inszenierten Symphonien – ein Drama in zwei Akten, dessen Handlung aus der Abfolge oder dem Duell unterschiedlichster emotionaler Strömungen besteht. Die Booklet-Autorin Prof. Dr. Alina Mądry nennt das Ergebnis ein „Instrumentales Theater der Affekte“.

Mit Bratsche, Cello und Kontrabass sowie jeweils drei ersten und zweiten Geigen erweckt „Arte dei Suonatori“ den Eindruck, das gerade Gehörte sei im Moment des Spielens erfunden worden. Bei Marcin Świątkiewicz laufen dann alle Fäden zusammen. Als Cembalist, Pianoforte-Spieler und Ensembleleiter sorgt er dafür, dass sich Notationen und Improvisationen in einem gemeinsamen Regiekonzept begegnen. Fesselnder sind die Hamburger Symphonien wohl selten in Szene gesetzt worden.

Carl Philipp Emanuel Bach: Symphonien Wq.182 Nr.1-6 „Hamburger“, BIS