Die tschechische Musikgeschichte besteht längst nicht mehr allein aus dem Quartett Smetana, Dvorák, Janáček und Martinů. Zu den interessantesten Neu- und Wiederentdeckungen gehört Vítězslav Novák (1870-1949), der neben Opern, Chor- und Orchesterwerken eine Fülle eindrucksvoller Kammermusik hinterlassen hat. Das renommierte Stamic Quartet nutzt den eigenen 40. Geburtstag nun, um die erste Gesamtaufnahme seiner drei Streichquartette herauszugeben.
Vítězslav Novák, der unter anderem bei Antonín Dvořák studierte, schrieb das erste Quartett im Jahr 1899. Obwohl er sich hier bereits auf drei Sätze beschränkte, ist das melodienselige Werk das inhaltlich und technisch konventionellste. Der romantische Gestus integriert die Volksmusik der böhmischen Heimat, die für Novák auch später eine zentrale Rolle spielte.
So besingt die opulente Fuge des zweiten, sechs Jahre später komponierten Streichquartetts nach den Worten des Komponisten „den seligen Frieden in den Armen der tröstenden Natur“ und illustriert „eine Flucht aus dem Leben in das Reich der Träume“. Das zweisätzige, impressionistisch eingefärbte Werk gibt sich deutlich ambitionierter als sein Vorgänger, dringt aber noch nicht in die Grenzbereiche zwischen Spätromantik und Moderne vor wie das dritte Quartett, das Novák nach zehnjähriger Arbeit 1938 fertigstellte.

Die technisch brillante und atmosphärisch dichte Einspielung durch das Stamic Quartet ist denn auch der Höhepunkt des Albums. Das Ensemble inszeniert schon das einleitende Allegro risoluto mit großer Suggestionskraft und lässt die letzten Takte in ein dissonantes Nirgendwo fallen. Von hier aus spüren Jindřich Pazdera, Josef Kekula (Violine), Jan Pěruška (Viola) und Petr Hejný (Cello) den feinen Verästelungen des bewegenden Lento doloroso nach, das die Schatten einer dunklen Zeit vorwegzunehmen scheint.
Vítězslav Novák: Streichquartette 1-3, Supraphon


