„Siehe, ich mache Alles neu“

Joseph Joachim Raff gehört bis heute zu den am meisten unterschätzten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Sein 200. Geburtstag im Jahr 2022 war aber immerhin Anlass, eines seiner eindrucksvollsten Werke vom Staub der Archive zu befreien. Der Mitschnitt des Oratoriums „Welt-Ende – Gericht – Neue Welt“ ist nun auf CD erschienen.

Nicht mal ein kleines Gedenken für den wohl sperrigsten Werktitel seiner Zeit mochte die Musikgeschichte Joachim Raff am Ende gönnen. Sein einst abgelehnter Schüler Hugo Riemann schrieb den angeblich längst Veralteten aus der Liste der Nachschlagenswerten hinaus – der zu Lebzeiten auch international gefeierte Komponist verschwand fast vollständig in der Versenkung.

Dabei spielte Raff in den fundamentalen künstlerischen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts keineswegs eine Nebenrolle. Er war mit den Protagonisten von Mendelssohn und Brahms bis zu Liszt und Wagner persönlich bekannt, suchte sich zwischen Traditionalisten und Neutönern aber einen eigenen Weg, der aus der Synthese unterschiedlicher Ansätze ganz neue Perspektiven gewann.

Sein einziges, 1882 uraufgeführtes Oratorium „Welt-Ende – Gericht – Neue Welt“ integriert denn auch die großen Vorbilder von der Barockzeit über Klassik und Romantik bis hin zur (sich fast zeitgleich entwickelnden) Erlösungsmystik Richard Wagners. Für den Weg von der Apokalypse bis zum neuen Jerusalem entdeckt Raff gleichwohl eine ganz persönliche, durchaus unverwechselbare Tonsprache, die in einprägsamen Arien und Rezitativen, kunstvoll gestalteten Chorsätzen und zehn schillernden Orchesterzwischenspielen um Ausdruck ringt.

Das knapp zweistündige Werk fand im Juni 2022 im Gewandhaus Leipzig Interpreten für eine großartige Referenzaufnahme, die noch lange Bestand haben wird. Neben den stimmgewaltigen, stilsicheren und absolut textverständlichen Solisten Marie Henriette Reinhold (Alt) und Andreas Wolf (Bariton) präsentierte sich der GewandhausChor in Höchstform. Für die überwältigende orchestrale Klangkulisse sorgte die camerata lipsiensis unter der inspirierenden Leitung von Gregor Meyer.

Joachim Raff: Welt-Ende – Gericht – Neue Welt, 2 CDs, cpo