Spurensuche auf der Wittekindsburg

Es gibt besondere Orte, die heute im Gelände kaum noch zu erkennen sind oder die sogar verborgen unter der Erde liegen. Häufig schlendern wir unwissend an fast vergessenen oder versteckt gelegenen Relikten vergangener Zeiten vorbei, ohne sie weiter zu beachten. Und wenn es nicht mehr viel zu sehen gibt, ist es manchmal schwer zu vermitteln, was genau hier einmal gewesen ist.

Burgen faszinieren seit jeher und prägen oft eindrucksvoll die Landschaft. Die Wittekindsburg bei Rulle ist als idyllisches Ausflugsziel im Nettetal bekannt. Ihre Ruine liegt auf einem Bergsporn des Wiehengebirges und ist durch einen steilen Anstieg natürlich gesichert. Erst durch archäologische Ausgrabungen hat sie einiges von ihrer Geschichte preisgegeben. Mit einer Fläche von insgesamt etwa 16 ha zählt sie zu den größten frühmittelalterlichen Befestigungsanlagen in Niedersachsen. Ein System aus Mauern, Gräben und Wällen sicherte einstmals Haupt- und Vorburgen.

Eine Befestigung unter Langzeitbeobachtung

Schriftquellen nennen die Burg erstmals 1253, allerdings lange nach ihrer Aufgabe. Auch Volkssagen berichten, 783 habe sich hier Herzog Wittekind (Widukind) versteckt, nach seiner Niederlage in den Sachsenkriegen gegen Karl den Großen. Von dort aus plante er heimlich den Widerstand der Sachsen gegen die Franken. Diese Legende darf zwar bezweifelt werden, eventuell könnte die Anlage den Sachsen allerdings als Fluchtburg gedient haben. Da mehrere „Wittekindsburgen“ im Osnabrücker Land mit eher sagenhaftem Namensursprung existieren, ist ein realer Bezug zum Sachsenherzog fraglich.

Bereits 1726 skizzierte Zacharias Goeze, damaliger Rektor des Osnabrücker Ratsgymnasiums, die Kernanlage noch mit vollständiger erhaltenen Umwallungen. Auch Justus Möser widmete sich 1768 in seiner „Osnabrückischen Geschichte“ der Wittekindsburg. 1884/85 kartierte Generalmajor August von Oppermann die Burganlage, allerdings ohne Beachtung des östlichen Vorburgwalls. Die Ergebnisse publizierte er im „Atlas der vorgeschichtlichen Befestigungen in Niedersachsen“.

1890 und 1892 unternahm der bekannte Burgenforscher Carl Schuchhardt umfangreiche Ausgrabungen. Nach 16 Grabungstagen interpretierte er die freigelegten Baustrukturen fälschlicherweise zunächst als römisches Lager, später dann als sächsische Fluchtburg. Bei Neuvermessungen 1965 entdeckte man ein zusätzliches Wallsystem, das nach Osten hin abriegelt.

Wall und Graben der Hauptbefestigung 1969, ursprünglich waren die Gräben tiefer und die Wälle dementsprechend höher. Erdreich und Steine sind im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder nachgerutscht.

Erste umfassende wissenschaftliche Grabungen führte Hans-Günter Peters in den Jahren 1966 und 1968 bis 1972 durch. Die insgesamt 30 Grabungsschnitte lieferten wichtige Erkenntnisse zum Aufbau der Wälle, Türme und Tore. Als ältester Teil der Befestigungsanlage gelten die beiden östlichen Außenwälle.

Was die Überreste verraten

An der Wittekindsburg Rulle sind archäologische Befunde zu erahnen, die allerdings nicht auf den ersten Blick als Kulturdenkmal zu identifizieren sind. Mitten im Wald sind heutzutage nur noch verschliffene Relikte der Wall- und Grabensysteme vorhanden.

Im Innenbereich der Hauptburg fanden sich auch Siedlungsspuren, z.B. mehrere steinerne Hausgrundrisse, Herdstellen und Überreste eines Pfostenhauses. Die C14-Analysen von Holzkohleproben datieren Pfostengebäude und Kalkbrennofen vornehmlich in das 9. bis 12. Jahrhundert. Direkt neben dem Pfostenbau wurden verzweigte, mehrgliedrige Steinfundamente von Gebäuden aufgedeckt, deren Funktion und Abfolge nicht endgültig geklärt werden konnten.

Der Rundturm im Jahr 2017.

Obwohl nie dauerhaft besiedelt, wurden Befestigungswerke und Häuser wiederholt repariert, ausgebaut und neu errichtet. Insgesamt wird die Anlage vom 9. bis max. ins 13. Jahrhundert genutzt worden sein. Mehrere der freigelegten Tore, Haus- und Turmfundamente wurden bereits Anfang der 1970er Jahre aufgemauert. Fast 50 Jahre später drohte das Denkmal erneut zu verfallen. Dank eines gemeinsam vom Landkreis Osnabrück, von der Stadt- und Kreisarchäologie, Archäologischem Arbeitskreis für Stadt und Landkreis Osnabrück, den Niedersächsischen Landesforsten, dem Natur- und Geopark Terra.vita und der Gemeinde Wallenhorst durchgeführten Projektes erstrahlt das Kulturdenkmal wieder in neuem Glanz.

Mit maßgeblicher finanzieller Unterstützung durch die Stiftung der Sparkassen im Landkreis Osnabrück wurden die alten Aufmauerungen im Jahr 2020 saniert. Auch ein neu ausgeschilderter Burgweg und mehrere Infotafeln laden auf eine spannende Spurensuche ein.

Die Nutzung alter Trampelpfade und Vandalismus sind aktuell leider noch immer problematisch. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten wünschen sich Anwohner und Projektbeteiligte daher einen pfleglichen Umgang mit der Anlage, damit das Kulturdenkmal auch die nächsten 50 Jahre erhalten bleibt.