Streichquartette nach Beethoven

Mit seinen 16 Streichquartetten hinterließ Ludwig van Beethoven Meilensteine des Genres, die schnell einen gewaltigen Schatten warfen. Auch auf die Geschwister Mendelssohn, die mit dem ebenso eindrucksvollen wie einschüchternden Erbe ganz unterschiedlich umgingen.

Fanny schrieb ihr einziges Streichquartett im Jahr 1834. Es beginnt mit einem Satz, der die Erwartungen gleich doppelt durchkreuzt. Das schleppende Tempo, vor allem aber die tonale Unentschiedenheit kritisierte der Bruder als unmotivierte Zertrümmerung der Form – freilich mit dem Zugeständnis, dass er nicht genau wisse, ob er selbst es denn besser machen könne.

Sie hätten den späten Beethoven eben ganz unmittelbar aufgenommen, gab Fanny zurück, um dann doch einen – für sie durchaus unvorteilhaften – Unterschied im Dialog mit dem übergroßen Klassiker auszumachen: „Du hast Dich durchgelebt u. durchgeschrieben, u. ich bin drin stecken geblieben“. Felix mochte da nicht widersprechen, der heutige Rezipient wird es sehr wohl, denn die vorsichtig tastende Herangehensweise, die sich im letzten Satz selbst überschlägt und Beethovens Nachlass in romantischen Klangvorstellungen aufgehen lässt, hat höchst originelle und sympathische Züge.

Das Schuppanzigh Quartett poliert alle Vorzüge des kurzen Werkes auf Hochglanz – von den mysteriösen Anfangsstakten über das hier tändelnde, dort bohrende Allegretto und die schwelgerische Romanze bis zum furiosen Schlusssatz. Auch Felix´ Streichquartett Nr.3 in D-Dur, op.44,1 erfährt von den „Schuppanzighs“ eine außergewöhnliche Interpretation. Anton Steck, Katja Grüttner, Christian Goosses und Werner Matzke lassen das ungeheuer vitale, satztechnisch meisterhafte Werk zu einem fesselnden Hörerlebnis werden, in dem die Erinnerung an Beethoven wiederum eine bedeutende Rolle spielt.

Ein fantastisches, mit scheinbar leichter Hand komponiertes Meisterstück, ohne jeden Zweifel. Die direkte Gegenüberstellung zeigt allerdings auch, dass Felix, der schließlich doch mit dem selbstsicheren Anspruch einer kulturgeschichtlichen Fortschreibung auftrat, am Ende zu einem durchaus konventionelleren Ergebnis gelangte als seine Schwester.

Fanny Hensel / Felix Mendelssohn-Bartholdy: Streichquartette, Musicaphon