Tag der nationalen Arbeit

Braune Relikte (7): Ein Fotoalbum der Firma Schoeller

Wie die Arbeiterschaft ihre Interessenvertretung verlor und linientreue, willfährige Unternehmer neue Unterstützer gewannen, schildert der nächste Teil der Reihe „Braune Relikte“. Was 1933/34 in Osnabrück geschah, ereignete sich in ähnlicher Weise in ganz Deutschland.

Am 11. März 1933 besetzte die SS das Osnabrücker Gewerkschaftshaus. Bei der endgültigen Zerschlagung der freien Gewerkschaften am 2. Mai 1933 wurden die führenden Osnabrücker Mitglieder verhaftet. Den „Tag der Arbeit“, Hauptfeiertag der Arbeiterbewegung, definierte der Nationalsozialismus um zum „Tag der nationalen Arbeit“. Im Sinne der Überwindung des ideologischen Gegensatzes zwischen Arbeiterschaft und Unternehmertum inszenierten sie unter dem Dach der Deutschen Arbeitsfront (DAF) eine „Volksgemeinschaft“ „schaffender Menschen“, die vom „Betriebsführer“ bis zur „Gefolgschaft“ gemeinsam die „nationale Arbeit“ verrichteten. Mit der DAF war die Arbeiterschaft ihrer Interessensvertretung beraubt, während die Stellung der Unternehmer gestärkt wurde und die gesellschaftlichen Vermögensverhältnisse unangetastet blieben.

Zu den ersten Aktionen der Nazis nach dem 30. Januar 1933 gehörte die politische und gesellschaftliche Ausschaltung der Arbeiterbewegung. In Osnabrück besetzte die SS am 11. März 1933 das Gewerkschaftshaus und am 2. Mai wurden die freien Gewerkschaften durch die Verhaftung führender Osnabrücker Mitglieder endgültig zerschlagen. Um die Arbeiterschaft an die NSDAP zu binden, wurde der „1. Mai / Tag der Arbeit“ – der internationale Kampftag der Arbeiterklasse – vereinnahmt und als „Tag der nationalen Arbeit“ zum nationalsozialistischen Feiertag umgedeutet.

Mit der „nationalen Arbeit“ wurde suggeriert, dass der ideologische Gegensatz von Proletariat und Kapital aufgehoben sei. Statt „Klassenkampf“ sollten Arbeiter und Unternehmer fortan gemeinsam agieren. Das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ vom 20. Januar 1934 machte aus Unternehmern „Führer“ ihrer Betriebe und aus den Werktätigen die „Gefolgschaft“. Beide wurden unter der Leitung von Robert Ley (1890–1945) in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) zusammengeführt. Während unter den 25 Millionen Zwangsmitgliedern der gesteuerten Betreuungsorganisation die Arbeiter*innen stark reglementiert wurden und steigende Arbeitszeiten bei fast gleichen Löhnen tolerieren mussten, wurden die Unternehmerrechte kaum beschnitten, zumal diese die beabsichtigte vollständige Kontrolle der Privatwirtschaft durch Umgehung staatlicher Maßnahmen unterliefen.

Die Nationalsozialist*innen profitierten von der wirtschaftlichen Not am Ende der Weimarer Republik. 1933 gab es 6 Millionen Arbeitslose (25,9 %). Mit der Vereinnahmung der Arbeitswelt versuchte die NS-Bewegung, von den Verunsicherungen des Modernisierungsprozesses und der Weltwirtschaftskrise zu profitieren. Ihre scheinbar erfolgreiche Wirtschafts- und Sozialpolitik nutzte Konzepte, die bereits vor 1933 entwickelt worden waren, darunter der Umbau des freiwilligen in einen „Reichsarbeitsdienst“ sowie der Bau der bereits fertig projektierten Autobahnen. Zudem zeichnete sich die ökonomische Belebung schon Ende 1932 ab. Für den allmählichen Rückgang der Arbeitslosigkeit sorgte besonders die enorme Aufrüstung zur Vorbereitung eines Angriffskrieges – auf Kosten einer hohen Verschuldung. Der Vierjahresplan von 1936 war Teil der Kriegsvorbereitung und sollte Deutschland ökonomisch autark machen.

In einem Album dokumentierte die Papierfabrik Schoeller ihre NS-konformen Feiern zum 1. Mai 1933. Das bekränzte Grabmal für die Weltkriegsgefallenen des Betriebs sowie der festliche Umzug der Belegschaft mit NS- und Reichsflagge zum Kriegerdenkmal in Voxtrup (1932) samt Ansprache eines NS-Funktionärs belegen die nationalistische Ausrichtung des „Tages der nationalen Arbeit“.

Fotos vor der Reichstagswahl vom 12. November 1933 zeigen, wie die Belegschaft mit Weltkriegspathos auf Hitler eingeschworen wurde. Neben dem vom stellvertretenden Reichspropagandaleiter Hugo Fischer (1902–1979) entworfenen Plakat „Der Marschall und der Gefreite“, das Hitler und Hindenburg als Einheit inszeniert, hängen an nächtlich erleuchteten Werksgebäuden die Wahlslogans „Hitler Ja X“ und „Mit Hitler für einen Frieden der Ehre und Gleichberechtigung!“ Das Bild einer Ehrenwache der DAF vor dem Denkmal des Firmengründers Felix Schoeller (1855–1907) entstand am 19. August 1937 bei der Einweihung des zu einem Belegschaftspark umgewidmeten ehemaligen Privatgartens.

 

Zu dieser Serie
Es ist die Geschichte einer Stadt, doch was hier geschah, ereignete sich auch in vielen anderen deutschen Städten. Die Serie „Braune Relikte“ basiert auf der Sammlung Nationalsozialismus, die sich im Museumsquartier Osnabrück befindet. Anhand von Objektbiografien wird die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Ursachen und Folgen veranschaulicht. So entsteht ein virtueller Lernraum, der die Fundstücke einer Diktatur analysiert, um Lernprozesse für demokratische Gesellschaften zu ermöglichen.