Torellis Geige

Giuseppe Torelli (1658-1709) ist der Nachwelt durch seine atemberaubenden Trompetenkonzerte in Erinnerung geblieben. Doch er war auch einer der größten Geigenvirtuosen seiner Zeit. Seine Sonaten für Violine und Basso continuo belegen Einfallsreichtum und Experimentierfreude eines bis heute unterschätzten Komponisten.

Sue-Ying Koang (Violine), Vincent Bernhardt (Cembalo und Orgel), Diana Vinagre (Cello) und Parsival Castro (Theorbe und Gitarre) haben für ihre CD „Travelling with a violin“ Sonaten ausgesucht, die einzeln herausgegeben oder als Manuskripte überliefert wurden – davon ausgehend, dass sie dann auf Werke treffen würden, die Torelli für sich und seinen engsten Umkreis komponiert hat, um musikalische Formen, ungewöhnliche Spieltechniken oder stilistische Besonderheiten auszuprobieren. Die Manuskripte, die über verschiedene Länder verstreut waren, zeugen aber nicht nur von der inneren Flexibilität, sondern auch von der tatsächlichen Reisetätigkeit des Komponisten.

Zusammengenommen bilden die vier Sonaten mit der Sinfonia per camera für Violine und Violoncello in d-moll und sieben Einzelstücken ein kunterbuntes Experimentierfeld, auf dem Sonaten aus drei oder sieben Sätzen bestehen können, ein Andante den ersten Satz bildet, nur eine Minute dauert und vom nachfolgenden tanzwütigen Allegro geradezu überrannt wird oder das Stück der Abwechslung halber „Cantabile“ beginnt.

Dass hier das Fundament für die Gattung des Solokonzertes gelegt wird, mit dem wenig später beispielsweise Antonio Vivaldi weiterarbeitet, gerät freilich nie in Vergessenheit, denn Sue-Ying Koang spielt im wahrsten Sinne des Wortes die erste Geige in einem leidenschaftlich und hochvirtuos agierenden Quartett, dass sich mit dieser 2022 in der Schweiz entstandenen Aufnahme nicht nur musikalische Verdienste erwirbt. Mit Ausnahme der ersten Sonate in e-moll handelt es sich durchgängig um Weltersteinspielungen.

Giuseppe Torelli: Travelling with a violin – Sonaten für Violine und Basso continuo D-Dur, e-moll, g-moll, A-Dur u.a., Indésens Calliope