„Das hat mit ihrem Singen / Die Loreley getan“, behauptete Heinrich Heine, doch die Sagengestalt, die uns auf dieser um 1908 verschickten Bildpostkarte begegnet, ist sichtlich verzweifelt angesichts der Ereignisse. Teil 3 unserer kleinen Reihe zeigt uns eine sehr menschliche Loreley.
Auf diesem Bild liegt der leblose Körper des Schiffers auf dem Wasser. Die Wellen haben ihn noch nicht ganz „verschlungen“. Er sieht aus als schliefe er, betrauert von einer Loreley, die sich von der Spitze des Felsens zu dem Ertrunkenen herunterbegeben hat und ihr Gesicht hinter vorgehaltener Hand verbirgt.
Von außen betrachtet nähert sich diese Visualisierung der Loreley-Sage der Ballade von den zwei Königskindern und dem „Jüngling“, der so tief ertrank. Innerlich fühlt die Loreley, was es bedeutet, dass sie so traurig ist; sie begegnet dem Tod sozusagen auf Augenhöhe und ahnt, dass es zu Ende ist mit ihrem Gesang und ihrem früheren triumphalen Auftreten. Ihre vormals wilden blonden Haare fallen nunmehr geordnet über die Schulter, und das Begleitinstrument hat sie verloren.
Offenkundig begibt sie sich in die erste Strophe des Heine-Gedichtes zurück und erzählt das „Märchen aus alten Zeiten“ noch einmal neu mit einer gewandelten Lorelei, die erschrocken ist und betroffen vom Verlust eines Mannes, dessen Antlitz sie wohl gerade betrachtet hat.
Die vorliegende Bildgeschichte macht die Ambivalenz sichtbar, die dieser Sagengestalt zu eigen ist und lässt sie als menschlich erscheinen. Zur melancholischen Stimmung tragen die wie mit einem Weichzeichner angedeuteten Naturschilderungen bei – der abendliche Nebel über der Burg, die vom Horizont ausgehende blass-violette Dämmerung sowie der trübe, wolkenverhangene Mond über dem Rhein.