Seit Arminius, später Hermann genannt, im Jahr 9 n. Christus den stets erfolgsverwöhnten Römern unter dem Heerführer Varus eine empfindliche Niederlage beigebracht hat, wird gerätselt, wo. Die Quellen berichten über die Schlacht, sagen aber nichts zum Schlachtort. Rund 700 Theorien kursierten im Laufe der Zeit darüber, wo sie stattgefunden haben könnte.
Philipp Melanchthon im 16. Jahrhundert war einer der ersten, der sie am Teutoburger Wald vermutete, Theodor Mommsen nahm im 19. Jahrhundert aufgrund von Münzfunden als erster die Gegend um Kalkriese in den Blick. Im Zuge der Bildung der Nationalstaaten wurde es immer wichtiger, die Schlacht, der nationale Bedeutung beigemessen wurde, zu verorten und der Schlachtsieger Hermann wurde zur Projektionsfigur für nationale Gefühle. Zwischen 1838 und 1875 errichtete man in Detmold ein überdimensionales Denkmal – es ist mit 53 m Höhe die höchste Statue in Deutschland.
Der alte Hermannsturm auf dem Dörenberg, der höchsten Erhebung des Teutoburger Waldes, reichte an diese Ausmaße nicht heran. Zwei Frauen aus Bielefeld sollen ihn am Ende des 19. Jahrhunderts finanziert haben. Er war 12 m hoch und komplett aus Stahl. Er sei ein „kleines technisches Wunderwerk in Gußeisen“ gewesen, urteilte G. von Eltz in einem landespflegerischen Gutachten für den Stadt- Umlandraum Osnabrück aus dem Jahr 1959. (NLA OS, Dep104 II Akz 2012/064 Nr. 27), seine Schutz- und Befestigungsvorrichtungen seien jedoch ziemlich hässlich.
„Unbedingt lohnend ist eine Besteigung des Hermannsturms“ – ein Artikel aus den „Oeseder Nachrichten“ im August 1961 lobte vor allem die Aussicht: „Da liegt das weite Land ausgebreitet wie ein kostbarer farbenfroher Teppich zu unseren Füßen“, schwärmte der Autor Günter Schotte.
Im Jahr 1974 wurde der Turm abgerissen, um an gleicher Stelle ein neues Bauwerk im Stil der Zeit zu errichten. Beton war der Baustoff der 1970er Jahre, er war günstig und galt in seiner Verwertung als schnörkellos, sachlich und lange haltbar. Ein in Georgsmarienhütte ortsansässiges Planungsbüro plante den Turm und ein Betonfertigteilewerk, ebenfalls vor Ort, setzte die Planungen um. Bauherrin war die Stadt Georgsmarienhütte, deren damaliger Stadtdirektor Rudolf Rolfes fest davon überzeugt war, die während der Gebietsreform erst kurz zuvor gegründeten Stadt auch touristisch vermarkten zu können und zu diesem Zweck noch einen zweiten baugleichen Turm auf dem Lammersbrink errichten ließ.
Der 21 m hohe Turm ist deutlich höher als das Vorgängermodell und steht auf 40 cbm-Beton-Fundamenten, in denen reichlich Stahl verbaut ist und die 187 t Gesamtgewicht tragen müssen. 110 Treppenstufen führen auf die oberste Plattform, von der aus den Wandernden bei klarem Wetter in der Tat eine atemberaubende Aussicht über das Osnabrücker-, Münster- und Tecklenburger Land erwartet.
Hermann und Varus
Am 25. Mai 1975 wurde die Attraktion mitten im Wald mit einer großen Veranstaltung gefeiert, zu diesem Zeitpunkt firmierte das Bauwerk noch schlicht unter „Aussichtsturm“ (Stadt im Werden, Nr. 40 vom 29. April 1975). Zwei Jahre später ist „Hermann“ zurück, spätestens ab 1977 hat sich eingebürgert, den neuen Turm genauso wie den alten zu nennen: Hermannsturm. Da das mit den nationalen Gefühlen in der Vergangenheit gründlich schief gegangen ist, war der Rückgriff wohl eher dem Wunsch geschuldet, die Schlacht am Teutoburger Wald möge sich rund um den Dörenberg abgespielt haben, zumal Kalkriese als Schlachtort noch nicht konkret im Gespräch war.
Als für den baugleichen Turm auf dem Lammersbrink ein Name gesucht wurde, verfiel man schnell auf den Namen des unterlegenen römischen Feldherrn Varus, und gab damit einmal mehr der Hoffnung Ausdruck, die Schlacht möge ganz in der Nähe stattgefunden haben.
Seit Eröffnung ist der Hermannsturm ein beliebtes Ziel für Naturfreunde. Mehrere Wanderwege führen an ihm vorbei, u.a. der überregionale Ahornweg. Wie beliebt der Hermannsturm für Ausflügler ist, war zu spüren, als er und sein Zwillingsturm auf dem Lammersbrink 2016 wegen Baufälligkeit gesperrt werden mussten. Vor allem in den Sozialen Medien wurde die Sperrung bedauert.
Seit kurzem ist der Hermannsturm wieder zugänglich. Die Wandercommunity kann aufatmen und ab sofort wieder hoch hinaus. Dass die Schlacht 9 n. Chr. nicht am Dörenberg stattgefunden hat, wie die Menschen noch bis vor wenigen Jahren gehofft haben, lässt sich in Anbracht der grandiosen Aussicht von dort oben verschmerzen. Niemand hat das besser in Worte gefasst als der schon zitierte Günter Schotte: „Unser Schauen wird zur Andacht,“ und diese Erfahrung ist durch nichts Virtuelles ersetzten.