Nur 5 Prozent der Werke in den ständigen Sammlungen der Museen stammen von Frauen, in der kunsthistorischen Betrachtung spielen sie zumeist nur eine Nebenrolle und von „equal pay“ kann auch auf dem Kunstmarkt keine Rede sein. Eine zweiteilige Dokumentation von Susanne Radelhof lenkt den Blick nun auf Protagonistinnen unterschiedlicher Stilrichtungen, die ihren männlichen Kollegen in nichts nachstanden, aber unter ungleich schwierigeren Bedingungen arbeiteten.
Wer heute auf die Kunstgeschichte der letzten 150 Jahre zurückblickt, sieht Frauen oft nur als Musen, Randfiguren oder singuläre Berühmtheiten, welche die krude These, dass wahre Kreativität Männern vorbehalten ist, auch noch bestätigen sollen. Dabei prägten sie alle großen Strömungen mit gleichwertigen, essentiellen und eigenständigen Werken.
Die Dokumentation „Lost Women Art“ leistet einen wichtigen Beitrag, um die extrem eingeschränkte Sichtweise wenigstens für die letzten anderthalb Jahrhunderte zu korrigieren. Susanne Radelhof zeigt sowohl wie Kunstmarkt und Kunstgeschichtsschreibung die selbstbewussten und betont offensiven Akteure mit weitreichendem Netzwerk begünstigen als auch die fehlende Bereitschaft, schon vergebene „Heldenrollen“ neu zu verteilen oder wenigstens differenzierter zu beschreiben.
Parallel holt die Autorin mit Hilfe von KunsthistorikerInnen, KuratorInnen und SammlerInnen zahlreiche Künstlerinnen aus dem (Halb)Dunkel der Geschichte. Mit Kurzporträts und Schlaglichtern, die zu weiterer Recherche inspirieren, erinnert sie im ersten Teil unter anderem an Berthe Morisot, eine Pionierin des Impressionismus, an die in jeder Hinsicht unangepasste Suzanne Valadon und die Porträtmalerin Julie Wolfthorn, die Expressionistin Helene Funke oder an Hilma af Klint, die zu den ErfinderInnen der abstrakten Malerei zählte.
Der zweite Teil ist der Entwicklung vom „Neuen Sehen bis zur Feministischen Avantgarde“ gewidmet und zeichnet ebenfalls das Schicksal von Frauen nach, die sich trotz aller Widerstände zu ihrer Passion bekannten. Dieses Kapitel erzählt – wiederum unter anderem – die Geschichten von Germaine Krull, Leonora Carrington, Lotte Laserstein, Elfriede Lohse-Wächtler, Charlotte Salomon, Elisabeth Voigt, Kiki Kogelnik, Valie Export und schließt mit einem Blick auf die „Guerrilla Girls“.
„Lost Women Art. Ein vergessenes Stück Kunstgeschichte“ wird am 9. Juni 2021 auf arte ausgestrahlt (Teil 1 um 21.55 Uhr, Teil 2 um 22.50 Uhr). Vom 9. Juni bis 8. Juli 2021 ist die Dokumentation auch online verfügbar.