„Ich glaube, die Wellen verschlingen / Am Ende Schiffer und Kahn; / Und das hat mit ihrem Singen / Die Lore-Ley gethan.“ Mit diesem Vierzeiler endet Heinrich Heines weltberühmtes Gedicht, das 1827 im „Buch der Lieder“ erschien. Den Maler der Bildpostkarte, um die sich der zweite Teil unser kleinen Loreley-Serie dreht, hat der Text offensichtlich inspiriert.
Heines Loreley ist hier nicht als romantische Sagenfigur, sondern als „femme fatale“ dargestellt, eine Sirene, die den Männern mit ihrem Gesang Unglück bringt. Die „wundersame, gewaltige Melodei“ lässt vorbeifahrende Bootsleute die gefährliche Strömung vergessen und erbarmungslos untergehen, wie Heine glaubt.
So wird die Felsenregion zu einer ‚verrufenen Stelle‘, an der sich jederzeit etwas Schreckliches ereignen kann, wie man sich hinter vorgehaltener Hand erzählt. Auf diesem Bild machen dem Schiffer in seinem kleinen Segelboot nicht nur die tückischen Wellen unterhalb des Felsens zu schaffen, sondern viel mehr eine offenbar durch Wind und Wetter entfesselte weibliche Person, die eine geradezu verheerende Anziehungskraft auf ihn ausübt. Verzweifelt streckt er die Arme nach ihr aus und achtet nicht darauf, dass sein Schiff sich bereits gefährlich mit Wasser zu füllen beginnt.
Die begehrte Frau trägt einen weißen, halb durchsichtigen Schleier, der sie nur notdürftig umhüllt und scheint – samt ihrer Harfe in den Fluss zu gleiten, hinab zu ihm – so mag es dem verlangenden Blick erscheinen. Der Mann ist jedenfalls außer sich von dem, was er zu sehen bekommt. Und so dramatisch wie der anonyme Maler es darstellt, kann die Geschichte denn auch kein gutes Ende nehmen.