„Versprich mir eins – Du wirst ein Zeichen geben“

Zwischen den Volksliedern von Johannes Brahms und den Holocaust-Liedern von Norbert Glanzberg liegen Krieg, Gewalt und Völkermord. Doch auch wenn die Unschuld zerbrochen ist, kann Schönheit dem Schrecken noch etwas entgegensetzen, glauben der Bassbariton Thilo Dahlmann und sein Pianist Hedayet Jonas Djeddikar.

Die spielerische Klavierbegleitung will uns weismachen, dass wir immer noch durch das romantische Tal streifen, in dem das Wasser so trüb ist, weil der enttäuschte Liebhaber bei seiner Angebeteten „a bissele Falschheit“ feststellen musste. Doch die Szenerie hat unmerklich gewechselt und der Pianist illustriert nun das Gedicht „Im Gefängnis“, das die Widerstandskämpferin Johanna Kirchner drei Tage vor ihrer Enthauptung in Berlin-Plötzensee zu Papier brachte.

Der Übergang von Johannes Brahms zu Nobert Glanzberg ist mit Bedacht gewählt, zeigt er doch an markanter Stelle, dass für dieses Projekt keine völlig fremden Welten zusammengezwungen wurden. Auf den ersten Blick scheint der Weg freilich lang, wenn nicht unüberwindbar. Die 1894 in der Fassung für Singstimme und Klavier erschienenen Brahms-Werke gelten als Inbegriff romantischen Liedguts. Sie beschwören die Einheit von Mensch und Natur, erzählen von Liebe und Freiheit, Reinheit und Unschuld. Dabei zeugt ihre musikalische Gestaltung vom Bedürfnis des Komponisten, auf durchaus kunstvolle Weise zum vermeintlich Simplen und Ursprünglichen zurückzukehren.

Das Einfache ist das Schöne – und das Schöne ist eine Möglichkeit, mit unerträglichem Leid wenigstens umzugehen. Diese Hoffnung scheint hinter Nobert Glanzbergs 1983 komponiertem Liederzyklus „In Memoriam“ aufzuleuchten, der ganz bewusst spätromantische Traditionen aufnimmt, um tonal und hochmelodisch von beispiellosen Verbrechen und unvorstellbaren Qualen zu erzählen. Die vom Komponisten ausgewählten Gedichte verfolgter und ermordeter Widerstandskämpfer retten auf ähnliche Weise Würde und Menschlichkeit in die Farben und Formen einer kulturellen Überlieferung. Nicht nur das Gedicht „Versprich mir eins“, das Ernst Munzinger nach der Verkündung seines Todesurteils in Kreuzreimen niederschrieb, gewinnt aus dieser Tradition Halt und Hoffnung. Die dritte Strophe lautet:

Versprich mir eins –
Du wirst ein Zeichen geben,
Das mir das Tor der düstren Nacht erschließt;
Du wirst die reine Schale Deiner Hände heben,
Daraus das Licht von Deiner Seele fließt!

Thilo Dahlmann und sein Begleiter Hedayet Jonas Djeddikar sind sich bewusst, dass diese Schönheit kaum zu ertragen ist. Sie nähern sich den so unterschiedlichen und doch nicht fremden Liedern deshalb mit der gebotenen historischen Präzision, die sich im Abdruck der Originaltexte, erläuternder Kommentare, vor allem aber in der klaren, detailgenauen Diktion des Bassbaritons und der souveränen, gänzlich unaufgeregten Darbietung des Pianisten spiegelt.

So ist eine oft bedrückende, gezielt verstörende, aber auch tief bewegende Aufnahme entstanden, für die Dahlmann und Djeddikar einen Abschluss gefunden haben, wie er treffender nicht sein könnte. Nach Brahms und Glanzberg taucht Schuberts „Abendstern“ die Welt noch einmal ins Zwielicht.

Ich säe, schaue keinen Keim,
Und bleibe trauernd still daheim.

The Last Epiphany. Johannes Brahms: Deutsche Volkslieder WoO 33, Norbert Glanzberg: Holocaust Lieder – In Memoriam, Franz Schubert: Abendstern D-806, Challenge