Virtuose Sakralmusik

In religiösen Zusammenhängen komponierte sie nur selten und die gerade erfundene Oper interessierte sie offenbar wenig. Doch in den „Sacri musicali affetti“ (1655) machte Barbara Strozzi eine Ausnahme. Das Ensemble „Aurata fonte“ legt die erste Gesamtaufnahme der 14 Stücke vor.

Nicola Badolato vermutet im italienisch-englischen Booklet, dass die „Sacri musicali affetti“ die einzige Sammlung ihrer Art waren, die im katholischen Europa der Frühen Neuzeit von einer Frau komponiert wurden, die keine Nonne war. Das ist sehr wohl möglich und Barbara Strozzi war sich ihrer Ausnahmestellung stets bewusst.

Geboren als uneheliche, aber mutmaßlich leibliche Tochter ihres späteren Adoptivvaters, des Dichters und Librettisten Giulio Strozzi, erhielt sie eine erstklassige musikalische Ausbildung – u.a. durch Francesco Cavalli. Nach und nach eroberte sich die Hochbegabte als Sängerin und Komponistin einen Platz in der männerdominierten venezianischen Musikszene.

Dabei stieß sie auf Bewunderung, aber ebenso auf Unverständnis. Sie brachte vier Kinder zur Welt, deren Vater ein (nicht mir ihr) verheirateter Adeliger war, und verstieß auch musikalisch gegen diverse Konventionen. So näherte sich Barbara Strozzi den geistlichen Texten über die Mutter Anna, Petrus oder Maria auf eine Weise, die alle Skalen menschlicher Emotionen erfasste und oft opernhafte Züge annahm.

Die Motetten oder kleinen Kantaten zeichnen sich durch die Verschränkung rezitativischer und arioser Elemente, virtuose Basslinien und theatralische Effekte aus, die den Solisten eine außergewöhnliche Stimmbeherrschung abverlangen. Aber auch interpretatorische Fähigkeiten, denn Strozzi war dezidiert nicht der Meinung des späteren Kollegen Mozart, dass „schlechterdings die Poesie der Musick gehorsame Tochter“ zu sein habe. Der Venezianerin ging es im Gegenteil um die sinnerschließende Vertonung von Worten und Inhalten.

Miho Kamiya, Anna Simboli (Sopran) und Andrea Arrivabene (Countertenor) widmen sich der Aufgabe mit großem Engagement und beachtlichem Erfolg, zu dem auch die Instrumentalisten von „Aurata fonte“ – Perikli Pite (Viola da gamba), Valeria Montanari (Cembalo) und Giuseppe Monari (Orgel) – einen klangschönen Beitrag leisten.

Barbara Strozzi: Sacri musicali affetti, 2 CDs, Tactus