Vivaldi, Rachmaninow und der Spiegel des Lebens

Das Treffen ist imaginär und ein Stück weit willkürlich. Doch es sorgt für eine gute Stunde wundervoller, feinsinnig und mitreißend interpretierter Musik. Der 2003 geborene Cellist Philipp Schupelius präsentiert auf der CD, die er als Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs einspielen durfte, Werke von Antonio Vivaldi und Sergei Rachmaninow.

Nur in der oszillierenden „Cadenza: Vivaldi meets Rachmaninow“, die Philipp Schupelius als Zwischenstück für Vivaldis Cellokonzert in a-Moll komponiert hat, findet eine unmittelbare Begegnung statt. Die restlichen rund 68 Minuten müssen der italienische Barockkomponist und der russische Spätromantiker allein auskommen. Der jeweils andere ist freilich immer präsent – Vivaldi durch seine Cellokonzerte in h-Moll und a-Moll, Rachmaninow mit dem Orientalischen Tanz Op.2, Nr.2, der Cellosonate in g-Moll und der Elégie Op.3, Nr.1.

Im steten Wechsel der Stile und Zeitebenen öffnen Schupelius, die Pianistin Yukino Kaihara und die Kammerphilharmonie „Metamorphosen Berlin“ unter dem diesmal dirigierenden Cellisten Wolfgang Emanuel Schmidt einen Raum, der von zwei Seiten betreten und auf immer neuen Wegen durchquert werden kann. Dabei geht es den Interpreten aber nicht um mühsam konstruierte Verbindungslinien, die sich unter einer biographischen und allgemein-historischen Betrachtung ohnehin verflüchtigen würden.

Schupelius will vielmehr „einen Blick in den Spiegel des Lebens“ werfen. Wenn man nämlich die zeittypischen Elemente herausfiltern würde, bliebe eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen beiden Komponisten bestehen, schreibt der Gewinner des Deutschen Musikwettbewerbs 2023 im Begleitheft der CD. Vivaldi und Rachmaninow verbinde „die intuitive Erfassung dessen, was Leben ausmacht und gleichzeitig der Blick darüber hinaus.“

Die Zusammenstellung von Meisterwerken zweier Getriebener ist aber vor allem ein musikalischer Ausnahmefall, der schnell deutlich macht, warum Philipp Schupelius vor knapp einem Jahr von Classic FM zu den 30 spannendsten Nachwuchsmusikern der Welt gezählt wurde. Vivaldis Cellokonzerte sind in seiner elektrisierenden, feinste Nuancen auslotenden Darbietung schlichtweg ein Erlebnis und Rachmaninows ausufernde Cellosonate kann kaum virtuoser und hingebungsvoller gespielt werden. Dass Schupelius in der großartigen Yukino Kaihara und dem perfekt disponierten Ensemble „Metamorphosen Berlin“ eher Dialogpartner als Begleiter findet, rundet den herausragenden Gesamteindruck ab.

Driven: Antonio Vivaldi: Cellokonzerte RV 424 und 418 / Sergei Rachmaninow: Oriental Dance op. 2 Nr. 2; Cellosonate op. 19; Elégie op. 3 Nr. 1, Genuin