Die Villa Stahmer gehört zu den schönsten Gebäuden der Stadt Georgsmarienhütte. Sie wurde 1900/01 durch die Hannoveraner Architekten Stapelberg und Schermer erbaut und steht heute als letzte Zeugin für Lebensstil und Selbstverständnis einer erfolgreichen Unternehmerfamilie, die das wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Leben in der Region mitgeprägt hat.
Der Firmengründer Carl Stahmer kam schon vor der Werksgründung von Zellerfeld im Harz in diese Region, um erst bei der Beckeroder Hütte in Hagen a.TW. zu arbeiten, und dann bei dem 1856 neu gegründeten Georgs- Marien-Hütten- und Bergwerksverein tätig zu werden. Ab 1862 führte er Schmiedearbeiten auf eigene Rechnung aus.
Auftragsvolumen, Angebotspalette und Mitarbeiterzahl vergrößerten sich stetig. Zu seinen wichtigsten Produkten gehörten Schranken- und Signalanlagen und Weichen, die im Eisenbahnbau überall in großer Anzahl benötigt wurden. Eine hochkant aufgestellte Weiche an der L95 in Höhe des Carl-Stahmer-Wegs erinnert noch heute an diesen Produktionszweig*.
Um 1900 war aus dem Start-up ein ansehnliches Unternehmen mit 500 Beschäftigten geworden, das der Firmengründer nun in die Hände der nächsten Generation legen wollte. Während ihrer Studien- und Militärzeit ließ er für die beiden Söhne Robert und Ernst je eine Villa in Sichtweite des Betriebes bauen. Die zwei Häuser waren mit allem ausgestattet, was die Zeit an Luxus zu bieten hatte: Es gab einen Aufzug, ein Wasserclosett, ein Badezimmer mit Badewanne, einen Tresor und eine Zentralheizung, die vom Keller durch einen Heizer befeuert werden musste.
Es fehlte nicht an Stuckdecken, Holzvertäfelungen, Bleiverglasungen und vielen Schmuckelementen mehr. Nach dem Tod des Vaters verstanden sich die beiden Brüder nicht mehr und Robert zog mit seiner Familie nach Bruchsal, um dort ein Zweigwerk aufzubauen.
Neun Mietparteien in einer hochherrschaftlichen Immobilie
Seine Villa diente fortan als luxuriöse Dienstwohnung für den jeweiligen Technischen Direktor. Während der Nazi-Zeit war der Lebensstil in den vornehmen Räumen nicht mehr gefragt. Im weit weniger ausgeschmückten zweiten Obergeschoss lebten in den 1930er Jahren zwei Lehrerinnen. Die zweite Villa wurde 1938 abgerissen, nachdem Ernst Stahmer neun Jahre zuvor gestorben war.
Die Villa Roberts blieb erhalten. Sie kam nach dem II. Weltkrieg in den Besitz der Klöckner-Werke. Neun Mietparteien teilten sich nun das ehemalige Einfamilienhaus.
Nach der ersten Nachkriegsrezession, stieß der Konzern die Villa ab. Die Gemeinden Oesede und Georgsmarienhütte kauften gemeinsam über einen Zweckverband die Immobilie. Während der Verhandlungen zur Gründung der Stadt Georgsmarienhütte war sie kurzzeitig als Rathaus im Gespräch. Ein Gedanke, der schnell wieder verworfen wurde, denn auch die 1.000 qm waren für die zentrale Verwaltung einer Stadt mit mehr als 30.000 Einwohnerinnen und Einwohner viel zu klein.
Mitte der 1970er Jahre zeichnete sich eine neue Nutzungsmöglichkeit ab. Der Heimatverein Oesede hatte in Oesede auf dem Thie eine Heimatstube eingerichtet. Diese musste aufgelöst werden, da der Pachtvertrag auslief. Die Villa Stahmer war noch bewohnt, aber allmählich leerten sich die Geschosse. Etage für Etage arbeiteten Ehrenamtliche mit finanzieller Unterstützung der neugegründeten Stadt Georgsmarienhütte an der Einrichtung eines Museums. 1980 erfolgte die Eröffnung, 1985 wurde erstmals ein hauptamtlicher Leiter eingestellt.
Das Konzept des Hauses musste immer wieder an neue Besucherbedürfnisse angepasst werden, 1990 erfolgte die Umbenennung von ´Heimatmuseum` in `Museum Villa Stahmer`. Die letzte Nachfahrin der Unternehmerfamilie, die noch am Ort wohnte, Gordia Stahmer, begleitete die Arbeit des Museums. Kurz bevor sie 2010 starb, gab sie zu Protokoll, wie sehr es sie freue, dass der Name ihrer Familie auf diese Art und Weise erhalten bleibt.