Aufgelesen (11): Louise Astons Gedichtzyklus „Wilde Rosen“.
Mitte des 19. Jahrhunderts war Louise Aston in aller Munde und ein begehrtes Beobachtungsobjekt der Berliner Polizei, die sich berufen fühlte, der „unsittlichen Lebensweise“ einer geschiedenen Künstlerin besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Als sie wie ihr großes Vorbild George Sand auf offener Straße Männerkleidung trug, Zigarren rauchte und obendrein die Existenz Gottes leugnete, verlangte der preußische Ordnungssinn 1846 die Ausweisung der „staatsgefährlichen Person“.
Im selben Jahr entstand ihr Gedichtzyklus „Wilde Rosen“. Die Verse dokumentieren nicht nur den einsamen Kampf einer mutigen Frau für Gleichberechtigung, Freiheit und Selbstbestimmung, sondern auch den Erfindungsreichtum, die thematische Aufgeschlossenheit und nicht zuletzt die unbeugsame Vitalität der Schriftstellerin Louise Aston.
Wie so oft in ihrem Werk wechselt die Verzweiflung über den „Schiffbruch glühender Gefühle“, der durchaus und explizit auch durch gesellschaftliche Defizite verursacht wird, mit begeisterten Erkundungen und enthusiastischen Beschwörungen der eigenen Möglichkeiten.
Doch in dem verzweiflungsvollsten Ringen
Bin ich klar mir und bewußt.
Keine fremde Macht darf mich bezwingen,
Selbst im Schmerz ist frei die Brust!
Immer wieder verdichtet Aston den lyrischen Fluss zum persönlichen Vorsatz und zur politischen Parole.
Freiem Lieben, freiem Leben,
Hab´ ich ewig mich ergeben.
… heißt es in dem Gedicht „Lebensmotto“ und „An ihn“ geht noch mehrere Schritt weiter:
Wenn den unterdrückten Knechten
Erst der Freiheit Sonne scheint;
Wird das Weib mit gleichen Rechten
Einst dem freien Mann vereint.
Eingesperrt
Louise Franziska Hoche wurde am 26. November 1814 in Gröningen bei Halberstadt als jüngstes Kind des Konsistorialrats Johann Gottfried Hoche und seiner Ehefrau Louise geboren. Im Alter von 21 Jahren drängte die gutbürgerliche Familie sie in eine Ehe mit dem englischen Fabrikanten Samuel Aston, der in unerschütterlicher Zeugungskraft bereits vier uneheliche Kinder von drei Frauen hatte. Durch die neue Verbindung stieg die Zahl der Nachkommen auf sieben, doch Louise versuchte immer wieder aus dem engen bürgerlichen Korsett auszubrechen.
1839 wurde die Ehe geschieden, der anschließenden Versöhnung folgte eine zweite Heirat, die ebenfalls nur von kurzer Dauer war. Louise Aston zog nach Berlin und unterhielt hier neben einigen viel diskutierten Liebesaffären einen literarischen Salon, in dem unter anderem auch Max Stirner, der Prophet des Individualismus, verkehrte.
Ausweisung aus Berlin
Nach der Ausweisung lebte sie in Köpenick und der Schweiz und verarbeitete ihren Dauerkonflikt mit der bürgerlichen Gesellschaft in der Schrift „Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung“, welcher der autobiografische Roman „Aus dem Leben einer Frau“ folgte, der bei Hoffmann und Campe in Hamburg erschien. Der erzwungene Abschied von Berlin war immer wieder Thema, der Anlass wurde in Astons Rückschau allerdings bagatellisiert.
Am 21sten März erhielt ich wieder eine Verfügung, auf der Polizei zu erscheinen, wo mir Herr Assessor Köppin mündlich den Befehl ertheilte, „Berlin binnen 8 Tagen zu verlassen, weil ich Ideen geäußert, und ins Leben rufen wolle, welche für die bürgerliche Ruhe und Ordnung gefährlich seien.“
So wurde mir von der Polizei eine Wichtigkeit beigelegt, die ich selbst mir beizulegen nie gewagt hätte, denn wie kühn müßten die Träume einer Frau sein, welche sich für eine staatsgefährliche Person hielte.
Zitat aus „Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung“
1848 kehrte sie nach Berlin zurück, gab hier die politische Wochenzeitschrift „Der Freischärler. Für Kunst und sociales Leben“ heraus und wurde erneut der Stadtgrenzen verwiesen. Gleiches widerfuhr ihr in Hamburg, so dass Louise Aston zu einem unsteten Wanderleben gezwungen war, ihre politisch-literarische Arbeit aber trotzdem nicht aufgab. Neben dem Roman „Revolution und Contrerevolution“ (1849) erschien der Gedichtzyklus „Freischärler-Reminiscenzen“ (1850), bevor sie sich zur Überraschung vieler Zeitgenossen weitgehend ins Privatleben zurückzog.
Louise Aston heiratete den Arzt Daniel Eduard Meier, lebte mit ihm – und der erneut anberaumten polizeilichen Überwachung – zeitweise in Bremen und beteiligte sich an den Aktivitäten des Demokratischen Vereins. Als ihr Mann seine Anstellung verlor, folgte ihm Louise Aston nach Russland und viele weitere Dienstorte in Ost- und Südosteuropa. 1871 kehrten die beiden nach Deutschland zurück. Am 21. Dezember des Jahres starb Louise Aston – inzwischen verarmt und schwer deprimiert – in Wangen im Allgäu an Brustwassersucht.
Bis heute liegen nur wenige literaturwissenschaftliche Untersuchungen zu Louise Astons Leben und Werk vor. Eine solide Einführung bietet Barbara Sichtermann in ihrem Buch „Ich rauche Zigarren und glaube nicht an Gott. Hommage an Louise Aston“. Es ist 2014 in der edition ebersbach erschienen.