Warum Brot backen boomt

Viele Menschen sind in Zeiten der Pandemie auf den Teig gekommen. Selber Brot backen boomt, Kurse und Kochbücher erfreuen sich großer Beliebtheit – und neue Geschäftsideen, die viel mit Tradition zu tun haben, sorgen für Aufsehen.

Brot ist Teil unserer Ess-Geschichte. Schließlich war es schon vor Jahrhunderten eines der wichtigsten Lebensmittel hierzulande. Kein Wunder also, dass die deutsche Brotkultur seit 2014 im ➤ UNESCO-Verzeichnis als Immaterielles Kulturerbe gelistet ist. Die Grundlage dieser Anerkennung findet sich im Brotregister des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Darin schlägt sich die Brotvielfalt in konkreten Zahlen nieder: Über 3.000 Brotspezialitäten sind dort registriert.

Dabei gehen die Meinungen über die Qualität des Bäckerhandwerks weit auseinander. Während selbst Discounter und Supermärkte beim Vertrieb ihrer günstigen Backwaren den Hinweis auf traditionelles Handwerk bemühen, bleiben zahlreiche kleine traditionelle Handwerksbäckereien auf der Strecke. 2020 gab es nach Berechnungen des Zentralverbandes noch 10.181 Betriebe, rund 5.000 weniger als 2008. Es kam allerdings auch zu vielen Gründungen – 420 Betriebe trugen sich neu in die Handwerksrolle ein.

Absolventen der Fachrichtung „Bäckerei Management“ könnten diese Zahlen in Zukunft noch weiter steigern. Der neue berufsbegleitende Studiengang, der vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, der Bundesakademie Weinheim, dem Verbund der Fachschulen des Bäckerhandwerks und der Mannheimer Hochschule der Wirtschaft für Management ins Leben gerufen wurde, wird seit Oktober 2021 angeboten.

Neuer Studiengang an der Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim: Bäckerei Management.

Immer mehr Menschen backen aber selber und setzen so eine Tätigkeit fort, die zu unserer kulturellen Identität gehört. Schon vor rund 15.000 Jahren, als die Landwirtschaft noch gar nicht erfunden war, konnten Menschen Getreide mahlen, wässern, kochen und backen. Das wachsende Interesse am selber Brotbacken spieglt heute auch ein steigendes Qualitätsbewusstsein der Menschen für das Lebensmittel Brot. Wer einmal den Prozess des Backens vom Auswählen der Zutaten über das Vermischen und Formen, das Backen bis zum ersten Biss mit allen Sinnen erlebt hat, lässt sich fortan nicht länger mit faden Aufbackbrötchen vom Discounter abspeisen. Zumal die Herkunft und Verarbeitung der Zutaten Mehl, Wasser, Salz und Hefe angesichts der drohenden Klimaveränderungen eine ganz neue und wichtige Rolle spielt.

Bemerkenswert ist, dass sich der Erfolg des selber Backens nicht auf kleine Interessengruppen beschränkt. BrotbackBlogs und Online-Backkurse erlebten einen beispiellosen Boom. Nicht ganz unschuldig daran ist der gelernte Geologe Lutz Geißler. Brotbacken, zunächst nur Hobby und ein willkommener Ausgleich zur Arbeit in Labor und am Computer, ist mittlerweile zum bestimmenden Thema im Leben des äußerst umtriebigen „Brotnomaden“ geworden.

Der Blog zum Backen und neue Bäckereien

Seit 2010 betreibt Geißler einen eigenständigen ➤ Brotbackblog, veranstaltet Brotbackkurse und 2013 erschien sein erstes Brotbackbuch, dem bis heute zwölf weitere Bücher mit einer verkauften Auflage von über 350.000 Exemplaren folgten. In seinem jüngsten Buch hat er sich zusammen mit dem leidenschaftlichen Hobbykoch Alexander Englert dem Thema Pizza, Flammkuchen, Focaccia, Pita, Naan und Tortilla gewidmet. Unter dem Titel „Die besten Fladenbrote der Welt“ nehmen die beiden Autoren ihre Leser*innen mit auf eine Reise durch die Welt der flachen Brote – gefüllt, belegt oder überbacken.

Alexander Englert (l.) und Lutz Geißler

Von der hohen handwerklichen Qualität der von Geißler hergestellten Backwaren werden sich zumindest die Hamburger Brotliebhaber*innen demnächst in der gemeinsam mit Bäckermeisterin Christina Weiß betriebenen ➤ Bäckerei „Brotkumpels“ überzeugen können. Und auch in anderen Städten tut sich etwas. In Osnabrück sorgt beispielsweise Andreas Torbecke seit Anfang September als ➤ Tobi, der Brotbäcker für „das einfach leckere Vergnügen im Leben“. Seine Philosophie ist ganz einfach: „Je ursprüng­licher die Herstellung und das Rezept, um so besser wird der Geschmack.“

Buchtipp Lutz Geißler & Alexander Englert: Die besten Fladenbrote der Welt: Pizza, Flammkuchen, Focaccia, Pita, Naan, Tortilla und viele andere mehr, Becker Joest Volk Verlag 2021, 29,95 €