Warum wir schreiben

Warum sollten wir schreiben? Es kann anstrengend sein. Es kann sich frustrierend anfühlen, wenn man das richtige Wort nicht findet. Es ist peinlich, wenn andere unsere Texte sehen.

Es ist aber auch wunderschön, wenn wir die richtigen Wörter finden. Es erfüllt uns mit Stolz, wenn ein Text fertig ist. Es ist befriedigend, wenn die Story am Ende passt. Aber warum sollten wir schreiben? Es gibt jedes Jahr abertausende Bücher, die veröffentlicht werden und nochmals deutlich mehr, die nicht veröffentlicht werden. Warum also auch noch wir?

Weil es Spaß macht! Weil wir keine Erlaubnis brauchen von irgendwem. Weil wir tun und lassen dürfen, worauf wir Lust haben. Weil Schreiben zuerst einmal kaum Kosten verursacht (vom Koffein und Alkohol mal abgesehen, den wir dabei vielleicht zu uns nehmen). Aber es reicht im Zweifel auch ein Blatt Papier und ein Werbekuli. Natürlich gibt es jede Menge Möglichkeiten, reichlich Geld loszuwerden beim Schreiben. Das Netz boomt mit Angeboten, die beraten, lektorieren oder sogar gegen Geld Veröffentlichungen anbieten. Das kann man machen – muss man aber nicht.

Wie alle sind tagtäglich von einer Unzahl Stories umgeben. Nicht nur die Bücher und Geschichten, die wir lesen, auch die in der Werbung oder im Kollegentratsch, die in der Bibel, in Internet-Memes, in Märchen oder in Witzen, Filmen und Serien sind von denselben Erzählmustern geprägt und prägen uns. Geschichten entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern knüpfen an Leseerfahrungen an, bedienen diese und entwickeln sie weiter. Begeben wir uns also auf die Spur dieser Muster, um sie zu erkennen, zu erlernen und anzuwenden. Und so gleichzeitig unsern Genuss beim Lesen noch zu steigern, denn dann können wir uns nicht nur am Inhalt, sondern auch an der Bauweise der Texte erfreuen.

Aber geht das denn einfach so?

Ist Schreiben denn nicht nur den echten Autoren vorbehalten? Das zumindest hat uns der Deutschunterricht oft vermittelt, der uns nicht selten auch noch den Spaß am Schreiben nahm. Wer bekommt schon gern Texte übersäht mit roten Anmerkungen zurück, die zeigen, was man alles falsch gemacht hat. Bis vor einigen Jahren, dachten dazu tatsächlich auch noch viele, dass Schreiben etwas sei, das man nun könne oder nicht – aber keinesfalls lernen dürfe. Das waren die Nachwehen der „Sturm und Drang“-Zeit des späten 18. Jahrhunderts mit dem Glauben an das Genie, das nichts lernen muss, sondern im Gegensatz zu andern frei aus sich heraus alles kann.

Daran hat sich bis heute glücklicherweise einiges geändert. Heute gibt es zahlreiche professionelle Angebote zum Schreibenlernen bis hin zum Diplom als Schriftsteller. Aber warum auch nicht? Nicht jeder Minikicker wird später ein Millionen schwerer Fußballprofi, nicht jeder Jugendlicher aus der Gitarrengruppe wird später ein weltberühmter Musiker und nicht jeder Teenager aus dem Tanzkurs später ein Ballett-Star. Vielen macht es einfach nur Spaß, sie genießen, was sie tun, lernen dabei Neues über sich, ihre Mitmenschen und die Welt.

Warum sollte Schreiben also einen anderen Anspruch haben? Es ist ähnlich wie beim Blockflöte spielen: Wenn es uns Spaß macht, sollten wir es tun. Wir sollten uns frei fühlen, uns, wenn wir wollen, Unterricht darin zu gönnen. Aber genau wie beim Schreiben ist es auch beim Flöte spielen oder Kicken: das größte Talent kann sich ohne Übung nicht entwickeln. Das Schreiben lernen wir am besten durchs Schreiben. Nicht durch das Reden darüber, durch das Anschauen von Videos, nicht durch das Hören von Podcasts. Das Schreiben lernen wir am besten durchs Schreiben.

Fangen wir also endlich an!