Werke eines Wagner-Freundes

Als Geheimtipp dürfte Georg Wilhelm Rauchenecker (1844-1906) eigentlich gar nicht durchgehen, denn der Komponist, Dirigent und Geigenvirtuose war zu Lebzeiten in Deutschland, Frankreich und der Schweiz eine anerkannte Größe.

Auch in sehr ausgewählten Kreisen wusste man seine Anwesenheit zu schätzen. Weihnachten 1870 gehörte der glühende Wagner-Verehrer zu den 13 Musikern, die im Treppenhaus der Villa „Tribschen“ das „Siegfried-Idyll“ zur Uraufführung brachten.

Rauchenecker war erst wenige Monate zuvor von Frankreich, wo er schon als 24-Jähriger Direktor des Konservatoriums von Avignon geworden war, in die Schweiz gekommen. In Winterthur avancierte er zum Mentor des städtischen Orchesters, für das er 1880 ein „Symphonisches Tonwerk im Stil einer Ouvertüre“ komponierte.

Schon dieses knapp 15-minütige Werk, das nach drei Aufführungen 1880 und 81 erst im Jahr 2010 wieder gespielt wurde, zeigt Rauchenecker als erfindungsreichen Melodiker und gewieften Konstrukteur dramatischer Zuspitzungen. Diese Qualitäten kennzeichnen auch seine 1. Sinfonie in f-moll (1875/76), die zwar vergleichsweise konservativ gestaltet ist, aber vom ausladenden „Allegro con spririto“ bis zum brodelnden „Allegro non tanto“ eine unwiderstehliche Sogwirkung entfaltet.

Auch wenn Rauchenecker, der einige Jahre später nach Berlin ging und anschließend in Elberfeld wirkte, zwischenzeitlich immer einmal wieder in die Fußstapfen seines Idols rutscht, bleibt die Tonsprache originell und phantasievoll. Eine Steilvorlage also für „Raucheneckers Orchester“, das Musikkollegium Winterthur, das unter der motivierenden Leitung von Howard Griffiths zur Höchstform aufläuft.

Die CD wartet außerdem mit einem seltenen Fundstück für Freunde außergewöhnlicher Besetzungen auf. Die „Orientalische Fantasie für Solovioline und Streichquartett“, formvollendet dargeboten von Sebastian Bohren und dem Sarastro Quartett, verspricht zwar Fernöstliches, das am Ende gar keine Rolle spielt. Ein außergewöhnliches Bravourstück ist die höchst abwechslungsreiche „Fantasie“, die Rauchenecker bereits 1865 zu Papier brachte, allemal.

Georg Wilhelm Rauchenecker: Symphonisches Tonwerk im Stil einer Ouvertüre, Symphonie Nr.1 f-moll, Orientalische Fantasie für Solovioline und Streichquartett, cpo