Zwangsarbeit

Braune Relikte (28): Spielflugzeug „Junkers Ju 52“.

Während des Krieges befanden sich in Osnabrück und näherer Umgebung ca. 100 Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Schätzungen zufolge waren dort 18.000 bis 20.000 Personen unter menschenunwürdigen Umständen untergebracht.

Die unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln veranlasste viele sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene dazu, während des Arbeitseinsatzes außerhalb des Lagers zusätzliches Essen zu erbetteln oder gegen selbst gebastelte Gegenstände einzutauschen. Das abgebildete Spielflugzeug wurde von einem sowjetischen Kriegsgefangenen in typischer Machart hergestellt, um es am Lagerzaun gegen etwas Essbares zu tauschen. Der Zivilbevölkerung war es untersagt, den Gefangenen etwas zu geben. Einige taten es trotz drohender Strafen.

Am 26. Januar 1945 beschrieb Medizinalrat Heinmüller dem Regierungspräsidenten die Zustände im Lager „Backhausschule“, das mit 320 Ausländern verschiedener Nationalitäten belegt war:

Die Räume sind sämtlich dunkel. Die Turnhalle ist vollkommen dunkel. In der Mitte brennt ein offenes Feuer. Ringsherum ist Stroh aufgeschüttet auf dem Fußboden, auf dem eine Reihe Ausländer liegen. […] In einigen Klassen sind Holzbetten, die zum Teil wegen Fehlen von Brettern unbenutzbar sind. Die Bretter sollen verbrannt sein. In den Klassenräumen findet sich je ein eiserner, kleiner Ofen in der Mitte des Raumes. Das Ofenrohr ist zum Fenster hinausgeleitet. Die Luft in den Räumen ist durchweg beizend vor Rauch.
Angeblich hat jeder Insasse eine Waschschale und eine Wolldecke. Die Kleidung der anwesenden Insassen ist dürftig, verschmutzt und z.T. zer[r]issen. Sie besitzen nur das, was sie auf dem Leibe tragen, es entspricht auch nicht annähernd dem, was in der Winterzeit zur Warmhaltung nötig ist. […] Die Aborte befanden sich bis vor kurzem in den Aborträumen der Schule; diese sind verschmutzt, der Kot befindet sich in den Oberschalen bis an den Rand und auf dem Boden rund herum. Die jetzt als Notabort hergerichtete Feldlatrine ist zu klein. Der aufgeworfene Graben ist schon erheblich gefüllt, Kalkdesinfektion wird nicht durchgeführt. Die Küche befindet sich in einem angebauten Schuppen und muß bei dem Gesamtergebnis als ausreichend bezeichnet werden. Nach den Angaben des Lagerführers und des Beauftragten der Firma sind heute von den 320 Insassen nur 150-160 zur Arbeit gegangen; 120 sind in dem Lager geblieben, weil sie kein Schuhzeug haben (sie haben Lumpen um die Füße gewickelt). Etwa 40 seien erkältet. Sämtliche Insassen sind verlaust.

Am 5. April 1945 wurde die Winkelhausen-Kaserne als „2nd Army Displaced Persons Centre“ unter Major A.W. Jean und Major Felix Thomas zur Sammelstelle und Unterkunft für sämtliche Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter und sonstige DP’s aus der UdSSR, Polen, den Niederlanden, Frankreich, Italien, Belgien, Griechenland und Jugoslawien. Mitte Mai waren 15.487 DP’s registriert. Besonders hart traf es die Sowjetbürgerinnen und -bürger. Sie waren nicht nur von vielen Deutschen gemäß der NS-Ideologie wie „Untermenschen“ behandelt worden. Nach ihrer Freilassung wurden sie in der UdSSR zusätzlich der Kollaboration mit den und Spionage für die Deutschen verdächtigt und erneut inhaftiert, teilweise sogar hingerichtet. Sie widersetzten sich daher aus Angst vor Repressalien zunächst ihrer Repatriierung und versteckten sich zum Teil in den umliegenden Wäldern. Das führte wiederum zu Übergriffen. Auch das KG-Lager in der Eversheide wurde längere Zeit DP-Lager. Zuletzt lebten dort ca. 600 Menschen, bevor es im Juni 1951 aufgelöst wurde.

 

Zu dieser Serie
Es ist die Geschichte einer Stadt, doch was hier geschah, ereignete sich auch in vielen anderen deutschen Städten. Die Serie „Braune Relikte“ basiert auf der Sammlung Nationalsozialismus, die sich im Museumsquartier Osnabrück befindet. Anhand von Objektbiografien wird die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Ursachen und Folgen veranschaulicht. So entsteht ein virtueller Lernraum, der die Fundstücke einer Diktatur analysiert, um Lernprozesse für demokratische Gesellschaften zu ermöglichen.