Die Siedlung am Dreslo

Zu den schwierig zu erklärenden Ortsnamen gehört sicherlich auch der Name der Bauerschaft Dresselhausen bei Schale an der nördlichen Grenze des Münsterlandes. Um seinem Geheimnis auf die Spur kommen zu können, ist es notwendig, die ältesten Belege zu beachten: Erstmals erscheint der Name Dresselhausen in dem um 1240 entstandenen Tafelgutregister des Bischofs Engelbert von Osnabrück.

Dort wird ein Haus (domus) „in Dreslehusen“ erwähnt. Dass es sich hier um kein anderes als das Schaler Dresselhausen handelt, beweisen die ebenfalls im gleichen Abschnitt genannten Nachbarorte Voltlage (Voltlo), Kellinghausen, Settrup, Berge, Anten, Andervenne und Schlichthorst. 1278 wird dann eine Hofstelle (mansus) „in Dreslehusen“ bei Schale genannt. Das Grundwort des Namens ist mittelniederdeutsch -hûsen, der alte Dativ Plural zu hûs ‚Haus‘, der als ‚bei den Häusern‘ oder einfach ‚Siedlung‘ übersetzt werden kann (û bezeichnet ein langes u). Im Streusiedlungsgebiet konnte im Mittelalter auch nur ein einziger Hof eine Siedlung darstellen. 1494 werden allerdings schon zwei Höfe – „Johan“ und „Bernt Dresselhusen“ – unter Schale genannt, die ab 1621 als „Grote“ bzw. „Große Dreßelhaus“ und „Lütke Dreßelhaus“ (und ähnlich) auftreten.

Doch was steckt im ersten Teil des Namens Dressel- bzw. Dresle-? Ein Vergleich mit Flur- und Ortsnamen der Region, die auf -el bzw. -le enden, zeigt, dass diese Endung vielfach die abgeschwächte Form von -lo darstellt: Verlo > Verle (Ferlemann, Ladbergen), Setlo > Settel (Lengerich), Ringelo > Ringel (Lengerich). Mittelniederdeutsch lô(h) meint in diesen Fällen einen ‚Busch‘, ‚Hude- oder Niederwald‘. So ist auch für Dresle- anzunehmen, dass dieser Namenbestandteil auf ursprünglich *Dreslo zurückzuführen ist und einen Wald oder Busch benannte (mit * werden erschlossene Formen gekennzeichnet).

Dass diese Rekonstruktion nicht willkürlich ist, sondern eine gute Grundlage besitzt, beweist der Ortsname Dreeßel, Ortsteil der Stadt Visselhövede, Landkreis Rotenburg (Wümme), der 1437 als „tom Dresselo“ und um 1450 als „tho dem Dreslo“ erscheint. Trennt man nun -lo als eigenständiges Wort ab, bleibt die Lautgruppe Dres- übrig, die noch erklärt werden muss. Dres- lässt sich auf germanisch *Þrais- ‚wallende, sprudelnde Quelle‘ zurückführen, das sich in Orts- und Gewässernamen erhalten hat (Þ als stimmloser Zahnreibelaut, wie in englisch bath, entwickelt sich im Deutschen – auch im Niederdeutschen – zu d).

Somit ergibt sich, dass der Ortsname Dresselhausen/Dreslehusen als ‚Siedlung (-hûsen) am *Dreslo‘ erklärt werden kann. Der ursprüngliche Flurname *Dreslo kann dann als ‚Wald (lô) bei einer Quelle oder mit Quellen (*Þrais-)‘ übersetzt werden. Damit ist es zulässig, den Ortsnamen Dresselhausen/Dreslehusen wörtlich als ‚Siedlung am Quellenwald‘ oder ‚Quellenwald-Siedlung‘ zu deuten.