Bildwerke aus Wachs

Nachbildungen wie die beiden gerahmten Miniaturreliefs eines Ehepaares aus der Sammlung des Dortmunder Museums für Kunst- und Kulturgeschichte stehen in einer jahrtausendealten Tradition. Wachs als vielseitig einsetzbares Material wurde bereits in der Antike gebraucht – so zum Beispiel bei der Herstellung von Masken im Totenkult, die als lebensechte Abbilder der Verstorbenen die Erinnerung an diese festhalten sollten.

Wachs ist ein weiches und formbares Material, welches im Rohzustand durch seine Weichheit und Elastizität als formlos – amorph – wahrgenommen wird. Zugleich ist Wachs aber auch polymorph, also vielgestaltig. Der Werkstoff ist in seinen unterschiedlichen Konsistenzen vielseitig einsetzbar, weist eine besondere Formbarkeit auf, mit der man auch sehr feine Details erzeugen kann, lässt sich einfärben und andere Materialien wie Textilien, Perlen etc. können darauf appliziert werden. Wachs kann sehr präzise Gestalten und Oberfläche nachbilden und eignet sich so auch zu einer naturgetreuen Darstellung der menschlichen Haut.

Kleinformatige Porträtreliefs in Wachs sind als autonome Kunstwerke seit der Renaissance bekannt. In dieser Epoche erwachte das Interesse an der individuellen Erscheinung des Menschen. Italienische Medailleure entwickelten das farbige und lebensnahe Wachsporträt als neue Bildgattung, darunter unter anderem der Norditaliener Antonio Abondio (1538-1591), der wesentlich zur Verbreitung dieses anspruchsvollen Verfahrens beitrug. Die Ausführung solcher Arbeiten war die Aufgabe von Wachsbossierern, unter denen sich Künstler unterschiedlicher Professionen, wie Bildhauer, Goldschmiede oder Porzellanmodelleure, aber auch Autodidakten, die sich auf die Arbeit mit Wachs spezialisiert hatten, wiederfanden. Die Wachsbildwerke wurden bossiert und gegossen und schließlich so nachgearbeitet, dass ein möglichst naturalistisches Erscheinungsbild erreicht wurde. Bei den plastischen Porträts wurden typischerweise die Köpfe – bei Frauen die Büsten – sowie die Arme und Hände auf eine Trägerplatte gegossen. Als Trägermaterial für das Wachs fungierten Pappe, Eisen- oder Kupferplatten, Holz- oder Schiefertafeln oder Glas.

Die bekleideten Körper der Figuren wurden mehrschichtig aus Wachs aufgebaut und frei bossiert, ebenso die Haare. Textilien und andere Details wurden oftmals aus dünnen, mit Pigmenten gefärbten Wachsplatten geformt und dann angebracht. Danach kamen feine Werkzeuge zum Einsatz, um Strukturen zu erzeugen sowie oftmals noch eine Bemalung. Es gibt aber auch Wachsbildnisse, die mit echten Textilien und weiteren Materialien, wie Perlen, Metallschmuck oder Ähnliches ausgestattet wurden. Die Miniaturbildnisse konnten aufgrund ihrer geringen Größe in die Hand genommen und von Nahem betrachtet werden, sie waren leicht zu transportieren und beliebte Geschenke in fürstlichen wie in bürgerlichen Kreisen. Dank ihrer Kunstfertigkeit avancierten sie zudem zu begehrten Sammelobjekten und fanden Eingang in die europäischen Kunstkammern.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts verlor die Wachsbildnerei schließlich ihre Exklusivität und wurde zu einer zunehmend bürgerlichen Kunst. Beliebt waren vor allem Arbeiten in Kästchen und gerahmte Porträts, bei denen es sich um zierliche und fein ausgeführte Dekorationsstücke handelt. Die Gattung erlangte im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert eine letzte Blütezeit. Aus dieser Zeit stammen auch die zwei Wachs-Miniaturreliefs eines unbekannten, vermutlich bürgerlichen, Ehepaares, die 1911 zusammen mit weiteren Objekten als Schenkung des Stadtverordneten und Förderer des Museums Louis Sternau (1861-1916) die Sammlung des Dortmunder Museums gekommen sind.

Filigrane Arbeiten mit Bienenwachs

Die beiden Reliefs von Mann und Frau sind aus Bienenwachs gefertigt, das leicht verfügbare Naturprodukt wurde bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts fast immer für solche Miniaturen aus Wachs genutzt. Die beiden plastisch gearbeiteten Figuren sind als Brustbilder im Profil gestaltet und befinden sich jeweils in einem ovalen vergoldeten Zierrahmen mit einer gewissen Tiefe, ähnlich einem kleinen Schaukasten, vor dunkelbraunem Hintergrund. Aufgebracht sind die beiden Reliefs auf einer Trägerplatte, die vermutlich aus Pappe ist. Glas als Material findet sich im Falle unserer zwei Exponate, wie generell bei dieser Gattung, als Schutz vor Staub über den Reliefs wieder. Denn so vielseitig Wachs auch ist, so empfindlich ist das Material auch gegenüber bestimmten Faktoren wie eben Staub oder zu hohen Temperaturen, die das Wachs zum Schmelzen bringen.

Durch die Verglasung und die Rahmentiefe wird die Plastizität der beiden Figuren aus Wachs noch einmal gesteigert. Betrachtet man die beiden näher, so lässt sich sowohl die Kunstfertigkeit als auch die Herstellung der kleinformatigen Arbeiten aus Wachs erkennen: so sind die Gesichter der zwei aus inkarnat-farbenem Wachs geformt, was die naturgetreue Darstellung verstärkt. Am Beispiel der weiblichen Figur und besonders an ihrer in Falten gelegten Halskrause, erkennt man wie detailreich gearbeitet wurde. Die Krause ist wahrscheinlich aus Wachsplatten geformt und nachträglich auf den Korpus aus Wachs appliziert worden, genauso ihre Uhrenkette oder ihr Ohrring. Ihr Schal ist mit einem aufgemalten feinen floralen Muster verziert. Die Frisur der Frau ist oben zu einer Flechtkrone arrangiert. Auch hier kann man den Herstellungsprozess erkennen: die einzelnen Haarsträhnen werden durch feine Ritze angedeutet, während die Flechtkrone und die Locken am unteren Kopfteil aus Wachsplatten gefertigt und an den Kopf der Dame angebracht worden sind.