Einmal in die Welt gesetzte Ortsnamendeutungen sind oft sehr langlebig – selbst, wenn sie offensichtlich falsch sind. So hält sich bis heute hartnäckig die Ansicht, der Ortsname Dreierwalde gehe auf ‚drei Häuser im Wald‘ zurück. Doch wo sind, wenn dem so wäre, denn dann eigentlich die „Häuser“ im Ortsnamen geblieben, der nur aus den Teilen Dreier- und -walde besteht?
Die Verbindung Dreierwaldes mit einem mittelalterlichen Ort genannt „tres domus in foresto“ – ‚drei Häuser/Höfe im Forst/Wald‘ -, den Bischof Siegfried von Münster in einer zwischen 1022 und 1032 ausgestellten Urkunde mit weiteren Besitzungen der neu gegründeten Pfarrei Bentlage zuwies, geht auf den Domkapitular Adolph Tibus (1817-94) und sein Werk „Gründungsgeschichte der Stifter, Pfarrkirchen, Klöster und Kapellen im Bereiche des alten Bisthums Münster“ zurück. Doch bereits der bekannte westfälische Landes- und Kirchenhistoriker Wilhelm Kohl (1913–2014) hat 1971 in der Ortsgeschichte Dreierwaldes diese Gleichsetzung zurückgewiesen. Nach Kohls Ausführungen sind die genannten „tres domus in foresto“ vielmehr bei Salzbergen zu suchen.
Doch auch die ältesten Belege des Ortsnamens selbst zeigen, dass in Dreierwalde nicht das Zahlwort drei (lateinisch tres) enthalten und der Ort somit nicht mit der „tres domus in foresto“ benannten mittelalterlichen Örtlichkeit identisch sein kann: „in Dregerwolde“ (1446), „yn den Dreyerwolde“ (1449), „uuyt den Dreygerwolde“ (1491), „Dreyerwolde“ (1498). Vor allem die Erwähnungen von 1446 und 1491 legen dar, dass das Bestimmungswort des Namens Dreierwalde zu mittelniederdeutsch dreier, dreiger ‚Drechsler, Dreher‘ gehört, die Täterbezeichnung (nomen agentis) zum Tätigkeitswort dreien, dreigen ‚drehen, drechseln‘. Das Grundwort ist mittelniederdeutsch walt, wolt ‚Wald‘.
Im Ortsnamen Dreierwalde findet man somit das schöne Beispiel einer spätmittelalterlichen Handwerker-Siedlung. Der „Dreierwald“ war ein ‚Gehölz an oder in dem Drechsler wohnten und arbeiteten‘. Aus diesem Wald konnten sie ihren Werkstoff Holz zur Herstellung von Geräten für den täglichen Bedarf direkt beziehen. Neben den Drechslern, die sich im Ortsnamen verewigt haben, lässt sich in Dreierwalde auch eine Handwerker-Siedlung der Holzschuhmacher belegen: die „Holscher im Dreierwolde“. 1575 gab die Zeugin Gese Pels in Rheine an, sie sei von „des Holschers hause im Dreyerwolde geboren“. Damit stellt sich Dreierwalde zu den Ortsnamen, die von Handwerker-Siedlungen motiviert worden sind. Ein weiteres frühes Beispiel im Kreisgebiet ist Schmedehausen bei Greven. Im Freckenhorster Heberegister (um 1050) heißt die Siedlung „Smithehuson“, was mit ‚bei den Häusern (bei) der Schmiede‘ zu übersetzen ist.
Neuerdings bringt auch die Ortsnamenforscherin Claudia Maria Korsmeier im Ortsnamenbuch des Kreises Steinfurt (2020) den Namen wieder mit den „tres domus in foresto“ in Verbindung. Nur erklärt sie ebenfalls nicht, wo der Bestandteil „Häuser“ geblieben ist und warum zwischen dem angeblichen Erstbeleg Beleg 1022–32 und den weiteren Nennungen Dreierwaldes ab 1446 für über 400 Jahre keinerlei Nachrichten überliefert sind …