Die Rückseite der Reliquienkapsel

Um das Jahr 1470 stellte der Goldschmied Engelbert Hofsleger eine Reliquienkapsel her, die sich heute im Diözesanmuseum Osnabrück befindet. Sie kam bei den sogenannten „Versehgängen“ zum Einsatz: Wenn ein Priester einen Sterbenden besuchte, reichte er diesem die Kommunion, die auch Wegzehrung (lat. Viaticum) genannt wird. Hierbei wurden die geweihten Hostien in Reliquienkapseln mitgeführt.

Entsprechend ihrer Funktion ist die Reliquienkapsel auf der Vorderseite mit zahlreichen Edelsteinen verziert. Die Schauseite liegt somit buchstäblich klar auf (in!) der Hand. Die Rückseite ist dagegen schlicht gehalten, kann sich aber durchaus sehen lassen. Damit die Besucher des Diözesanmuseums Osnabrück dies nachvollziehen können, hat der Metallrestaurator Uwe Schuchardt nochmal Hand angelegt und das angelaufene Silber gereinigt.

Vorderseite

Nun erstrahlt die Rückseite wieder in vollem Glanz! Sie zeigt eine qualitätvolle Gravur einer sitzenden Muttergottes mit Kind im Strahlenkranz. Prägnante Konturen zeichnen die Anlage der Maria mit dem auf ihrem Schoß liegenden Jesusknaben aus. Mit wenigen, aber aussagekräftigen Strichen sind vegetabile Elemente wie Gras und Pflanzen angedeutet, die veranschaulichen, dass die Madonna auf einer Rasenbank Platz genommen hat. Tiefen und Schatten im Hintergrund, im Strahlenkranz und in den Gewandfalten werden durch parallel verlaufende Linien und Schraffuren angedeutet.

Rückseite

Die Mühe und Sorgfalt, die in die Oberflächenbehandlung geflossen ist, stellt die zeichnerische Begabung des Goldschmieds Engelbert Hofsleger deutlich heraus. Die Szene verrät, dass er sich zudem mit zeitgenössischer Druckgraphik auseinandergesetzt hat. Auch wenn eine exakte Vorlage bisher nicht zu ermitteln ist, dürfte ihm die sog. „Kleinste Madonna von Einsiedeln“ von Meister E.S. bzw. seinem Nachfolger Israhel van Meckenem bekannt gewesen sein, wie ein Vergleich mit der gespiegelten Variante nahelegt. Als kostengünstigster Kupferstich des Gnadenbildes aus Kloster Einsiedeln – einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte in der Schweiz – war diese recht verbreitet.

Ohne Zweifel haben ihn auch weitere Darstellungen der Madonna auf der Rasenbank nicht unbeeinflusst gelassen, so etwa von Martin Schongauer und von Stefan Lochner. Hofsleger war demnach ein Künstler, der auf der Höhe seiner Zeit gearbeitet hat.