Nach der Verbannung durch die Nationalsozialisten dauerte es Jahrzehnte, bis die Werke eines der erfolgreichsten österreichischen Opernkomponisten auf die Bühnen zurückkehrten. Mittlerweile sind Franz Schrekers „Der ferne Klang“ oder „Die Gezeichneten“ wieder häufiger zu sehen, doch „Der Schatzgräber“ führt immer noch ein Schattendasein. Die vieldiskutierte Neuinzenierung von Christof Loy an der Deutschen Oper Berlin kann jetzt allerdings sogar am heimischen Bildschirm betrachtet werden.
Die Märchenwelt hat ihre Zauberkraft verloren, dem König ist die Liebe seiner Königin und damit die Aussicht auf einen Erben abhanden gekommen und der Monarchin wurde mit ihrem sagenumwobenen Schmuck auch jeglicher Lebensmut gestohlen. In dieser ausweglosen Situation soll der fahrende Sänger Elis helfen, der mit Hilfe einer Wunderlaute selbst tief verborgene Schätze auffinden kann. Die absurden Hoffnungen der Hofgesellschaft werden schließlich erfüllt, doch der Schatzgräber entdeckt nicht nur den Schmuck, sondern auch ein furchtbares Geheimnis seiner Geliebten Els.
Die schwerkriminelle Wirtin einer zwielichtigen Schenke war sicher ideal geeignet, um die Reihe der „Systemsprengerinnen“ fortzusetzen, die Christof Loy an der Deutschen Oper Berlin mit der Inszenierung von Erich Wolfgang Korngolds „Das Wunder Heliane“ begonnen und mit ➤ Riccardo Zandonais „Francesca da Rimini“ fortgesetzt hatte. Den „Schatzgräber“ entwickelt Loy mit Bühnenbildner Johannes Leiacker und Kostümgestalterin Barbara Drosihn aus dem Szenario einer autoritären Gesellschaft, die sich den Launen ihres Führungspersonals ausliefert und selbst jede Möglichkeit nutzt, um die Leiter ein paar Stufen hinaufzuklettern oder sich wenigstens kleine Glücksmomente zu verschaffen. „Wir befinden uns in einem Hamsterrad und wollen immer weiterkommen … und merken manchmal gar nicht, dass man mit uns spielt oder Experimente macht“, so Loy in einem Gespräch mit der Dramaturgin Dorothea Hartmann.
Auch Els und Elis sind Bestandteile dieser Versuchsanordnung, bis ihre Leidenschaft, der Schreker den kompletten dritten Akt zur rauschhaften, ekstatischen Entfaltung schenkt, die Maschine ins Stocken bringt und hinter der nur scheinbar märchenhaften Welt die Umrisse eines völlig anderen Lebens aufscheinen lässt. Ganz am Ende der Oper, als Els bereits im Sterben liegt, wird der Schatzgräber zum Glücksfinder, der das wahrhaft Wertvolle erkennt.
Prinz und Prinzessin –
Elis und Els,
die beiden Kinder
von Traumkönigs Gnaden.
Sie kehren heim –
beladen mit Glück –
das halten sie fest
und lassen es nimmer.
Sie retteten sich
aus der grausen Hatz
des Lebens den hehrsten,
den schönsten Schatz!
Loys analytische, unterkühlt-distanzierte Sichtweise bildet einen erstaunlich fruchtbaren Gegenpol zu Schrekers überbordender Klangsprache. Aus der Synthese entsteht ein fesselnder Opernabend, zumal auch das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der klug disponierenden Leitung von Marc Albrecht immer wieder die schmale Balance zwischen Selbstbeherrschung und Entfesslung findet.
Eben das gelingt auch dem Bühnenpersonal. Elisabet Strid meistert die Entwicklung von der ruppigen Kneipenwirtin des 1. Akts zum ätherischen Zwitterwesen des Epilogs mit Bravour, während Daniel Johansson mitunter etwas angestrengt wirkt, der herausfordernden Titelpartie aber dennoch ein überzeugendes und klares Profil gibt. Auch die weiteren Rollen sind hochkarätig besetzt: Tuomas Pursio gibt den jovialen, aber gefühlskalten und skrupellosen König, Thomas Johannes Mayer den verliebten und umso bösartigeren Vogt, Michael Laurenz einen undurchschaubaren Narren und Doke Pauwels die stumme, von inneren Dämonen verfolgte Königin, die nie zur Ruhe kommt.
Franz Schreker: Der Schatzgräber, DVD oder Blu-ray, Naxos