Mit dem Namen des im heutigen Stadtgebiet von Münster liegenden Ortes Albachten ist eine humorige Entstehungserzählung verknüpft. Angeblich soll der Name nämlich bis in die Zeit des hl. Liudger (†809), des ersten münsterischen Bischofs, zurückgehen. Dieser kam auf seinen Reisen durch das Münsterland auch nach Albachten, das damals noch namenlos gewesen sei. Allerdings habe er hier alle Bewohner der Siedlung volltrunken vorgefunden.
Erzürnt sei der Bischof daraufhin weitergezogen und habe zum Abschied bemerkt: „Das sind alle Bacchanten“. Daraus habe sich dann der Name Albachten entwickelt. Als „Bacchanten“ werden heute noch Trinkbrüder bezeichnet. Der Ausdruck ist zurückzuführen auf die antike Gottheit Bacchus. Bacchus ist dabei eigentlich die lateinische Form von griechisch Bakchos, einem Beinamen des Dionysos, des Gottes des Weines und des Rausches in der griechischen Mythologie. Der Beiname Bacchus wurde von den Römern auf ihren Gott des Weines und der Fruchtbarkeit übertragen. „Bacchanten“ sind also eigentlich die Teilnehmer einer Kultfeier für diese Gottheit, bei der es natürlich zu orgiastischen Zügen kam, woher sich die heutige Bezeichnung für feier- und trinkfreudige Mitmenschen erklärt.
Namensage
Aber waren die Einwohner von Albachten ursprünglich wirklich lustige Zecher? Die Herleitung des Ortsnamens Albachten von dem Gott der Trunkenheit und des Weines, Bacchus, wird erstmals schriftlich festgehalten in der Schrift „Monumentorum Monasteriensium decuria prima“ des Vredener Stiftsscholasters Jodocus (Jobst) Hermann Nünning (1675–1753), die 1747 in Wesel gedruckt wurde. Sie gibt sich damit auf jeden Fall als „Gelehrtenetymologie“ zu erkennen, die nur jemand ersinnen konnte, der aufgrund seiner humanistischen Bildung die antike Gottheit kannte und diese dann mit dem ähnlich klingenden niederdeutschen Namen Albachten in Verbindung brachte.
Einem westfälischen Landmann wäre eine solche Erklärung niemals eingefallen. Und auch der hl. Liudger, der zwar ein gebildeter Mann war, wird vermutlich den antiken Gott Bacchus gar nicht gekannt haben. Denn ein verstärktes Interesse an der Antike kam erst wieder lange nach Liudger in der Zeit der Renaissance (15./16. Jahrhundert) auf, weswegen diese Epoche auch so heißt, wie sie heißt: Renaissance = Wiedergeburt, und zwar die „Wiedergeburt der Antike“. Die Ehre ist also gerettet: Die Albachtener waren nicht trinkfreudiger als ihre Nachbarn und auch Albachten hat nichts mit „Bacchanten“ zu tun.
Schwierige Überlieferung
Allerdings wirft der Ortsname trotzdem bis heute Fragen auf. Er gehört zu den nicht einfach zu knackenden Nüssen der Namenforschung. Das hängt auch mit seiner Überlieferung zusammen, die keine simple Erklärung zulässt. Erstmals erscheint der Ortsname im 11. Jahrhundert als „in Albagthon“ in einem Urbar des Klosters Werden. 1142 heißt es dann „Albucten“, um 1150 „in Albatten“, 1152 „Albuthen“, 1257 „Albacten“ und ab 1265 schließlich „Albachten“.
Der münsterische Domkapitular Adolf Tibus (1817–1894), der sich mit den Ortsnamen des Münsterlandes beschäftigt hat, teilte den Namen in die Bestandteile Al- und -bachten. Im ersten Teil meinte er eine angebliche Verkürzung des Wortes alah ‚Tempel, (heidnisches) Heiligtum‘ ansetzen zu dürfen, woraus er eine vorchristliche Kultstätte in Albachten erkennen wollte. Den zweiten Teil -bachten fasste er als Bezeichnung für eine ‚sumpfige, wasserreiche Gegend‘ auf. Ein solches Wort gibt es aber nicht. Vermutlich ist diese Herleitung aus einer Assoziation von -bachten mit dem hochdeutschen Wort Bach entstanden. Doch heißt der Bach im Niederdeutschen beke oder bieke.
Eingehender befasste sich der münsterische Historiker und Archivar Leopold Schütte 1992 mit dem Namen. Er setzt eine Ausgangsform *Adalberhton, *Adalbrachton an, die er als alten Dativ (Wem-Fall) Plural (Mehrzahl) eines Personennamens Athalbert, Aldberht oder Albrecht betrachtet. Laut Schüttes Meinung sei Albachten somit als ‚bei den Albrechten‘ zu übersetzen. Die Siedlung wäre dann nach den Leuten eines Grundherrn oder rechtlichen Oberhauptes namens Albrecht benannt worden. Die Albrechte wären also die ‚Leute eines Albrecht‘ gewesen. Dass eine solche Bildung möglich sein kann, zeigt auch der ältere Name Münsters: Mimigernaford, die ‚Furt der Mimigerne bzw. Leute eines Mimigern‘. Ohne Grundwort (wie eben Mimigernaford mit dem Grundwort -ford) ist eine solche Ortsnamenbildung allerdings singulär.
Gewässernamen
Daher schlägt die münsterische Ortsnamenforscherin Claudia Maria Korsmeier eine andere Lösung vor: Sie sieht in Albachten einen alten Gewässernamen *Albachta/*Albachte. Diesen gliedert sie in die Bestandteile alb- mit der ursprünglichen Bedeutung ‚weiß‘, später ‚Fluss, Wasser‘, der auch in den Gewässernamen Albe (Nebenfluss der Saar), Alb (Nebenflus des Rheins) oder Elbe vorkomme, und dem germanischen Suffix -ahta, das zur Bildung von Eigenschaftswörtern gebraucht wurde. Im Namen *Albachta läge dann ein zu einem solchen Adjektiv gebildetes Hauptwort vor: Die *Albachta wäre also die ‚Weiße‘ oder die ‚Fließende‘ gewesen. Korsmeier ist der Meinung, es könne sich hier um den alten Namen des heutigen Offerbaches gehandelt haben.
Die Deutung des Ortsnamens Albachten als Ableitung von einem älteren Gewässernamen hat auch von sprachlicher Seite etwas für sich. Sie erklärt nämlich ebenfalls die Endung des Ortsnamens Albachten auf -en. Denn der Namenforscher Reinhold Möller hat gezeigt, dass Ortsnamen, die auf einem Gewässernamen beruhen, oftmals im Dativ (Wem-Fall) des Flussnamens erscheinen. So ist auch der nahe Münster gelegene Ortsname Bevern (Ost- und Westbevern) gebildet worden. Bei Bevern handelt es sich um eine Dativ-Form des Gewässernamens Bever. Bevern kann daher als der ‚Ort an dem Fluss Bever‘ übersetzt werden. Albachten könnte somit sprachlich auch der ‚Ort an der *Albachta‘ gewesen sein.
Ob der besagte Offerbach aber wirklich jemals den Namen *Albachta getragen hat, ist aus historischer Perspektive zumindest fraglich: Denn wenn der Name wirklich mit dem sehr alten Element Alb- gebildet wurde, stünde das benannte Gewässer doch aufgrund seiner Ausdehnung auffällig hinter seinen Namensvettern zurück: Die Albe ist 33 km lang, die Alb sogar 51 km und die Elbe mit ihren über 1.000 km Länge natürlich kaum mit dem Offerbach vergleichbar, der eher als kleiner Bach einzustufen ist. Paläobotanische und archäologische Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass in Nordwestdeutschland und auch speziell im Münsterland etwa in der Zeit der Völkerwanderung (zwischen dem 4 und 6 Jahrhundert n. Chr.) die Besiedlung stark zurückging und erst im 6. Jahrhundert wieder einsetzte. Bricht aber die Siedlung ab, verschwinden in schriftlosen Kulturen auch sämtliche geographische Namen. Somit ist für Nordwestdeutschland kaum mit einem sehr alten, aber nur lokal begrenzten Gewässernamen zu rechnen.
Natürlich gibt es auch hier sehr alte Flussnamen. Allerdings haften diese vorrangig an Fließgewässern überörtlicher Bedeutung wie dem Rhein, der Elbe, der Weser, der Ems oder der Lippe. Der Zusammenhang zwischen dem Alter des Namens eines Gewässers und dessen Größe ist bisher noch nicht hinreichend untersucht worden. Es ist aber aufgrund der neueren siedlungsgeschichtlichen Erkenntnisse, die zahlreiche Brüche der Siedlungskontinuität und räumliche Verlegungen von Siedlungen vermuten lassen, anzunehmen, dass Gewässernamen, die in die ältesten Sprachstufen gehören, nur deshalb Siedlerwechsel, Siedlungsdepressionen oder -abbrüche überstehen konnten, weil sie relativ lang waren. Aufgrund dieser Länge wohnten durch die Zeiten hindurch immer Menschen an ihrem Ufer, die den alten Namen weitergeben konnten.
Ungelöstes Rätsel
Das Rätsel, was der Ortsname „Albachten“ ursprünglich bedeutet haben mag, bleibt also weiterhin ungelöst. Auf jeden Fall ist es kein Alkoholmissbrauch gewesen, der ihn ursprünglich motivierte. Albachten ist allerdings nicht der einzige Ort im Münsterland, dem angedichtet wurde, dass sein Name vom Alkoholkonsum der Bewohner herrühre. Auch für Bevergern (heute Stadt Hörstel, Kreis Steinfurt) ist eine ähnliche Ursprungserzählung überliefert, die bei Ortsführungen für ein Schmunzeln der Gäste sorgen dürfte. In seiner 1572 erschienenen Gewässerbeschreibung gibt der Alchemist und Arzt Leonhard Thurneisser zum Thurn (1531–1595/96) als Entstehung des Namens Bevergern folgendes Wortspiel an: Ein Franzose trifft einen deutsch sprechenden Einwohner von Bevergern und fordert diesen (auf französisch) zu trinken auf: „Befer!“ (das heißt: Trink!), worauf der Bevergerner antwortet: „Gern!“ Diese Aufforderung sei nicht vergessen und so der Ortsname geboren worden. – Na dann, Prost!