Mimigernaford – Monasterium – Münster

Münster gilt neben Soest und Dortmund als eine der „heimlichen“ Hauptstädte Westfalens. Der Name der heute über 300.000 Einwohner zählenden, kreisfreien Stadt klingt auch sehr schön westfälisch: Münster, auf Plattdeutsch Mönster. Doch ist die verlockende Annahme, dass der Name Münster/Mönster auch ein echter Westfale sei, weit gefehlt.

Denn der heutige Name der Stadt, die auch Sitz der Bezirksregierung des gleichnamigen Regierungsbezirkes ist, entstammt nicht dem Niederdeutschen, sondern einer anderen Sprache, nämlich dem Lateinischen. Viele ehemalige und gegenwärtige Schüler, die sich mit dieser toten Sprache herumquälen mussten und müssen, werden nun vielleicht fragend die Stirn in Falten legen. Und auch wenn man es der heutigen Form des Ortsnamens nicht mehr ansieht, so ist der Name Münster/Mönster doch aus dem älteren Monasterium entstanden, wie die historischen Belege des Namens zeigen.

Domkloster

Monasterium – diese Form erkennt der Latein-Kenner wegen der Endung -um natürlich sofort als lateinisch. Und einige Zeitgenossen werden das Wort sicherlich auch direkt übersetzen können. Denn monasterium bedeutet auf Deutsch ‚Kloster, Klostergemeinschaft, Klostergebäude, Klosterkirche‘. Das namengebende Motiv war also das 792/793 vom ersten münsterischen Bischof Liudger auf dem Horsteberg, dem späteren Domhügel, eingerichtete Domkloster.

Mimigernaford

Allerdings erscheint der Name Monasterium, der sich dann im Lauf der Zeit zu Mönster und Münster verkürzt hat, erst ab dem 11. Jahrhundert. Zuvor hieß der Ort anders. Denn bis in das frühe 11. Jahrhundert hinein trugen das Domkloster des Bischofs Liudger und die zugehörige Siedlung den Namen Mimigernaford. Über diesen früheren Ortsnamen haben sich zahlreiche Gelehrte seit dem 19. Jahrhundert den Kopf zerbrochen. Kein Geringerer als der Sprachwissenschaftler und Altertumsforscher Jacob Grimm (1785-1863) versuchte bereits früh das Rätsel zu lösen. Wir kennen Jacob Grimm heute vor allem wegen seiner zusammen mit seinem Bruder Wilhelm gesammelten und publizierten „Kinder- und Hausmärchen“. Aber Grimm befasste sich darüber hinaus auch mit deutschen Rechtsaltertümern, germanischer Mythologie sowie weiteren sprachwissenschaftlichen und historischen Themen.

Als Kind seiner Zeit, in der die Germanen als Vorfahren der Deutschen hoch im Kurs standen und man allerorten auch Spuren ihrer vorchristlichen Religion zu finden glaubte, vertrat Grimm die Ansicht, im Namen Mimigernaford sei ein „mythisches Wesen“ namens Mimir/Mimi/Mime, ein Schmied, zu finden. Diese Erklärung, die sich in Grimms „Deutscher Mythologie“ von 1835 findet, ist heute natürlich kaum noch glaubhaft. Doch sollte es noch weit über 100 Jahre und zahlreiche Deutungsversuche dauern, bis der damals in Münster lehrende Germanist Heinrich Tiefenbach 1984 die heute allgemein anerkannte Erklärung des Namens Mimigernaford vorlegte.

Das Grundwort des Namens war immer unstrittig gewesen: -ford meint die Furt oder die Übergangsstelle. Diese ist sehr wahrscheinlich am Durchgang über die Aa bei der Überwasserkirche zu lokalisieren, wie die münsterische Historikerin Edeltraud Balzer wahrscheinlich gemacht hat. Der erste Teil Mimigerna- ist – wegen des Lautes a am Ende – als der Wessenfall (Genitiv) Mehrzahl (Plural) eines Personennamens Mimigern zu erklären. Der Name Mimigernaford meinte also die ‚Furt der Mimigerne‘ oder anders übersetzt: die ‚Furt der Leute eines Mimigern‘. Mimigern war vermutlich das rechtliche Oberhaupt, der Anführer oder Herr der Bewohner der Siedlung an der Aa-Furt.

Erste Erwähnung

Doch wann wurde der Name Mimigernaford eigentlich erstmals erwähnt? Bis vor kurzem war diese Frage, die für die Münsteraner als ältester Nachweis des Vorgänger-Namens ihrer Stadt natürlich von besonderem Interesse ist, noch ganz eindeutig zu beantworten: Im Jahr 819 heißt es in einer Urkunde Kaiser Ludwigs des Frommen (778-840) „ad locum qui vocatur Mimigernaford“ – ‚bei einem Ort, der genannt wird Mimigernaford‘. Doch hat der Bonner Historiker Theo Kölzer, der sämtliche Urkunden Ludwigs des Frommen untersucht hat, 2012 herausgefunden, dass es sich bei der Urkunde von angeblich 819 um eine Totalfälschung erst des 10. Jahrhunderts handelt. Damit fällt das Jahr 819 als Ersterwähnung des Namens Mimigernaford weg und eine ein Jahr später, 820 ausgestellte Urkunde rückt auf Platz 1, die die älteste Nennung des Vorgänger-Namens der Stadt Münster – Mimigernaford – enthält.