Vor dreieinhalb Jahren bereicherte das Label cpo die magere Cipriani Potter-Diskographie um eine elektrisierende Einspielung von drei Orchesterwerken. Nun folgt eine weitere Aufnahme, die das Interesse an dem englischen Komponisten weiter steigern dürfte.
Der nicht eben leutselige Ludwig van Beethoven war von dem Besuch aus London geradezu begeistert. Cipriani Potter sei augenscheinlich nicht nur „ein guter Mensch“, er habe außerdem „Talent zur Komposition“, gab er 1818 zu Protokoll. Wir wissen nicht, ob sich Beethoven von Potters Neigung, aus tradierten Formen eine ganz individuelle Gestaltung zu entwickeln, besonders angesprochen fühlte. Unwahrscheinlich ist das nicht, denn auch in den beiden jetzt eingespielten Symphonien in c-moll (1826/47) und B-Dur (1821) geht der Engländer immer wieder eigene Wege – in der unerwarteten Verarbeitung seiner Themen, der mitunter irreführenden Tempobezeichnung oder der Aufgabe der Viersätzigkeit zugunsten einer dreiteiligen Anlage.
Bisweilen erzielt Potter den Überraschungseffekt aber auch durch den völligen Verzicht auf musikhistorische Vorbilder (wie bei der ausladenden Ouvertüre zu Shakespeares „The Tempest“) oder schlicht durch die Besetzung – so etwa in der reizvollen „Concertante“ aus dem Jahr 1829, in der Klavier, Violine, Violoncello und Kontrabass unterschiedliche Solorollen spielen.
Erfrischend und originell klingt Potter immer, was in diesem speziellen Fall freilich auch an der ebenso straffen wie detailfreudigen Stabführung von Howard Griffiths liegt. Am Pult des BBC National Orchestra of Wales erweist sich der Engländer einmal mehr als engagierter Sachwalter unbekannter musikalischer Schätze. Neben den vier hochklassigen „Concertante“-Solisten Mishka Rushdie Momen (Klavier), Jonian-Ilias Kadesha (Violine), Tim Posner (Cello) und Philip Nelson (Kontrabass) ist außerdem Bert Hagels für seinen umfangreichen, sehr informativen Booklet-Beitrag hervorzuheben.
Nach dem ➤ ersten Teil dieser Werkedition liegen nunmehr sieben Werke von Cipriani Potter in aktuellen Referenzaufnahmen vor. Von den neun erhaltenen, offenbar sehr verwirrend nummerierten Symphonien sind damit drei zugänglich. Auf weitere Veröffentlichungen darf man gespannt sein!
Cipriani Potter: Symphonien c-moll und B-Dur, Concertante für Klavier, Violine, Cello, Kontrabass und Orchester, Ouvertüre zu „The Tempest“ (Complete Symphonies, Vol.2), cpo