Wurde in Dörenthe, heute ein Stadtteil von Ibbenbüren im Tecklenburger Land, einst eine germanische Gottheit verehrt? Und hat sich diese Verehrung im Ortsnamen niedergeschlagen?
Diese Ansicht geht auf den Ibbenbürener Pfarrer Bernhard Cremann (1840–1913, Ibbenbürener Pfarrer seit 1888) zurück. In seiner im Jahr 1900 erschienenen „Geschichte der katholischen Kirche zu Ibbenbüren“ führt er aus, der Name Dörenthe gehe auf eine Zusammensetzung Thor-ente zurück, die er als ‚Niederlassung des Gottes Thor‘ übersetzt. Das zugehörige Heiligtum des Gottes Thor wollte Cremann dann in einer als „Düwelskerke“ bezeichneten Flur (in der Nähe des Dörenther Hafens) gefunden haben.
Der Flurname ‚Teufelskirche‘ zeige die Dämonisierung der germanischen Religion durch die christliche Kirche. Allerdings ist Cremanns mythologische Deutung des Namens Dörenthe dem Zeitgeist geschuldet; lagen doch die „Germanen“ seinerzeit als die behaupteten Vorfahren der Deutschen und ihre Geschichte hoch im Kurs. Allerorten suchte man im 19. Jahrhundert nach germanischen Relikten und Kultstätten – und fand diese natürlich auch, allerdings nicht ohne die Befunde überzuinterpretieren oder gar zu verfälschen.
Das lässt sich auch am Ortsnamen Dörenthe zeigen. Zum einen hat Cremann für seine Deutung die ältesten Belege des Ortsnamens nicht beachtet bzw. eine historische Form erfunden, die so nicht überliefert ist. Zum anderen übernahm der Pfarrer den nordischen Götternamen Thor und setzte ihn stillschweigend auch für Westfalen voraus. Nur ist dies nachweislich falsch, denn im alten Westfalen hieß der entsprechende Gott nicht Thor, sondern Thunaer ‚Donar‘, wie das „Altsächsische Taufgelöbnis“ (um 800) beweist. Dörenthe kann also keine ‚Niederlassung des Gottes Thor‘ meinen.
Um den Ursprung des Namens Dörenthe zu ergründen, ist es notwendig, auf die ältesten Belege zu schauen: Dörenthe wird erstmals im Freckenhorster Heberegister (um 1100) als Thurnithi erwähnt. Im Herforder Heberegister aus dem 12. Jahrhundert heißt es Thurneze, in dem aus dem 13. Jahrhundert Thornethe. Diese Formen, die alle mit th-Anlaut beginnen, der damals einem Zahnreibelaut wie das englische „th“ entsprach, belegen auch, dass in Dörenthe nicht das niederdeutsche Wort dor ‚Tor‘ vorliegen kann, wie landläufig behauptet wird und Dörenthe als ‚Siedlung an einem Pass über den Teutoburger Wald‘ ausweist.
Auf Basis der historischen Belege bleibt nur eine einzige Lösung übrig: Der Ortsname Dörenthe, alt Thurnithi, ist zu altniederdeutsch thorn ‚Dornstrauch‘ zu stellen. Gebildet wurde der Name dadurch, dass dem Wort thorn das Suffix germanisch *-ithja, altniederdeutsch -ithi, -idi angehängt wurde. In Ortsnamen drückt diese Nachsilbe das ‚Vorhandensein von etwas‘ aus. Thurnithi / Dörenthe meint also die ‚Örtlichkeit, an der Dorngesträuch vorhanden ist‘ – germanische Götter und niederdeutsche Tore lassen sich hier nicht finden.