Trade – Von der Fußspur zum Wertpapierhandel

Was hat eine unschöne Wagenspur in Wiese oder Acker mit einem Trader, einem Börsenhändler, zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel, aber beide haben – kaum zu glauben – den gleichen wortgeschichtlichen Ursprung.

Der Anglizismus Trader bedeutet auf Deutsch eigentlich nur ‚Händler‘, steht jedoch heute vorwiegend für Personen oder Institutionen, die in der Finanzwirtschaft tätig sind. Die Tätigkeit eines Traders ist das Trading, also der Handel mit Basiswerten. Der Begriff des Traders lässt sich bereits bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. So wird Trader für ‚Handelsmann‘ bereits im 17. Band von Pierer‘s Universal Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart aus dem Jahr 1863 genannt (S. 740).

Aufgrund von kleineren und größeren Finanzkrisen der Vergangenheit hat der Beruf des Traders keinen besonders guten Ruf mehr. Der Ausdruck ist zumeist negativ konnotiert, weil er mit spekulativem Hochfrequenzhandel in Zusammenhang gebracht wird. Das Handelsmotiv kann aber in Wahrheit recht unterschiedlich sein. Ziel ist es allerdings stets, Gewinnchancen zu nutzen, um Kursgewinne zu erzielen.

Keine gute Lobby – zumindest bei Landwirten – haben auch tiefe Wagenspuren auf Wiesen- oder Ackerflächen, die durch das Befahren mit schweren Gerätschaften bei nasser Witterung und aufgeweichtem Boden entstehen und die eigentliche Nutzung der Fläche erschweren oder sogar behindern. Diese „Furchen“ werden im Osnabrücker Land und Umgebung als Tro’en u.ä. bezeichnet. Dieser plattdeutsche Begriff Tro’e ist die mundartlich-sprachliche Weiterentwicklung von mittelniederdeutsch trade oder tra, das eigentlich nur Spur oder Geleis bedeutet.

Der Ausdruck wurde in der frühneuzeitlichen ländlichen Gesellschaft Nordwestdeutschlands vor allem für die Pfade des Viehs verwendet, die dieses auf dem Weg zur Tränke zurücklegt. Etwa gibt es im Oldenburgischen die Begriffe kuhtrade oder ve(h)trade – ‚Kuhpfad‘ oder ‚Viehpfad‘. In Flurbezeichnungen findet sich häufig auch nur „in der Trahe“, „auf der Trahe“ oder „vor den Träen“. Das Wort ist bereits im Altniederdeutschen, der ältesten belegten Sprachstufe des Niederdeutschen, in der Form trada belegt und meint hier eigentlich den Tritt.

Dieser Hinweis führt dann schließlich zur eigentlichen Wortherkunft. Denn trada gehört zum niederdeutschen Tätigkeitswort treden, tredden ‚treten‘. Eine Trade, Tra, Tro‘e ist also zunächst eine durch Fußtritte von Mensch oder Tier hinterlassene Spur. Auf häufig begangenen Strecken geht durch diese Benutzung der natürliche Bewuchs zurück, sodass ein Pfad entsteht. Aus Pfaden werden schließlich Wege und Straßen – vor allem, wenn sie mit Wagen befahren werden. Diese heißen im Mittelniederdeutschen schon wagentrade für die ‚Wagenspur‘ oder das ‚Wagengeleis‘.

Wie aber lässt sich nun die Brücke zum Trader oder Handelsmann schlagen? In das Englische, aus dem das heutige trade für ‚Handel‘ und der Trader stammen, gelangte das niederdeutsche Wort mit dem Handel der Hanse – der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen norddeutschen Kaufleutevereinigung. Denn in vortechnologischer Zeit waren Wege und Straßen die einzigen Verbindungen für den Warenaustausch. So kam es, dass die Bezeichnung für den Handelsweg im Englischen auf den Handel allgemein überging. Diese Entwicklung ist zwischen dem späten 14. und dem frühen 16. Jahrhundert anzusetzen.

Obwohl Traden eigentlich ursprünglich Fußspuren auf dem Erdboden waren, wurden später auch Wasserwege als solche bezeichnet. Beispielsweise wurde das Fahrwasser vor der französischen Hafenstadt Brest als „de Tra“ oder „de Trade“ bezeichnet.

Die Bedeutungsentwicklung von Handelsweg zu Handel ist aber nur im Englischen erfolgt. Im Niederdeutschen blieb es bei dem Wegewort. Deshalb ist ein mittelniederdeutscher trademann kein früher Trader, sondern jemand, der Wege baut. Trade meint übrigens im Mittelniederdeutschen neben dem Pfad auch ein Gemisch aus Lehm mit Heu oder Stroh, das z.B. für den Wandputz der Fachwerkhäuser benötigt wurde. Diese Mischung wurde durch das Treten mit den Füßen hergestellt. Es gehört also ebenfalls in diesen sprachlichen Zusammenhang.