Von Stuten und Hinterteilen

Mit dem Begriff Stuten wird im gesamten niederdeutschen Raum und auch im Rheinland gemeinhin Weißbrot aus Weizenmehl bezeichnet. Diese Brotsorte gab es früher nur an Sonn- und Feiertagen. Im Alltag wurde in den Bauern- und Bürgerhäusern das gewöhnliche Schwarzbrot gegessen. Doch woher kommt eigentlich das Wort Stuten?

Es sei bereits vorausgeschickt, dass der Name des Brotes nicht so feierlich oder andächtig ist, wie die besonderen Tage vermuten lassen könnten, an denen das Gebäck verzehrt wurde. Aber außergewöhnlich ist er schon. Während heute alle Weißbrote als Stuten bezeichnet werden können, war ein Stuten in mittelniederdeutscher Zeit (zwischen ca.1200 und 1650) noch ein rundes, tief eingekerbtes Brot.

Die Bezeichnung für das Gebäck ist von einem anderen mittelniederdeutschen Wort übertragen worden, nämlich von stut, stute „Hintern, Steiß, dicker Teil des Oberschenkels“. Das Brot wurde also wohl aufgrund seiner Form und seiner Farbe mit dem menschlichen Gesäß verglichen.

Das Gesäß in Ortsnamen

Dass diese Herleitung richtig ist, bestätigen auch viele Ortsnamen, zu deren Bildung auf Wörter zurückgegriffen wurde, die das Hinterteil von Tieren bezeichnen. Die Wörter für den Hintern wurden als Metapher für Hügel und Geländeerhebungen benutzt. Zu nennen sind hier Ortsnamen wie Hundasarsa „Hunde-Hintern“ bei Bochum (um 890), van Hundesarse „Hunde-Hintern“ bei Ostbevern (um 1100), Bulars „Bullen-Hintern“ am Niederrhein (nach 1150) oder de Buddenarson „bei den Kalbs-Hintern“ bei Halver (zu mittelniederdeutsch bud, but ‚Kalb“).

Traditionsgericht Stutensoppen

War der Brotstuten alt und hart geworden, wurde er nicht weggeworfen, sondern mit Milch oder Brühe zu einer Brot-Suppe verarbeitet. Das „Stutensoppen“ genannte Traditionsgericht wird heute gerne von Heimatvereinen angeboten. Eine der frühesten Nennungen dieses Essens, das aber sehr viel älter sein wird, findet sich in einem Kalender des Stifts Freckenhorst vom Ausgang des 15. Jahrhunderts mit Nachträgen Ende des 16. Jahrhunderts.

Am 1. August und am 28. September aßen die Freckenhorster Stiftsdamen „stutenbry“, also Weißbrotbrei oder Weißbrotsuppe.

Süße Weggen

Ein besonders feines Weißbrot, heute meist mit Rosinen, heißt im Plattdeutschen Wegge. Die Weggen wurden vor allem zu Hochzeiten und Taufen gebacken und hatten die beachtliche Größe eines kleinen Wagenrades. Transportiert wurde dieses Gebäck dann in großen Kissenbezügen.

Probieren kann man dieses süßliche Rosinenbrot z.B. beim Wegge-Essen, das viele Heimatvereine jährlich in der Adventszeit veranstalten. Das Wort Wegge, dem im Hochdeutschen Wecke entspricht, dort aber ein Brötchen meint, wird bereits in altniederdeutscher Zeit genannt (zwischen ca. 800 und 1200).

Damals bedeutete wegg(i) noch ‚Keil‘. Auch das eng verwandte altnordische veggr oder das altenglische wecg meinen den ‚Keil‘. Ursprünglich war die Wegge also nicht rund, sondern keilförmig. Von dieser Form erhielt das Gebäck seinen Namen.