Nachdem wir den ➤ Protagonisten und den ➤ Antagonisten kennengelernt haben, kommt es nun zum Konflikt, in dem sich die beiden begegnen und messen. Ein Konflikt ist definiert als eine Unvereinbarkeit von Interessen zwischen mindestens zwei Parteien, bei der die eine Seite etwas (nicht) macht oder (nicht) will, was die andere Seite stört. Mit einer Betrachung der Lösung schließen wir unseren kleinen Kurzgeschichtenkompass ab.
Das einfachste Beispiel: Zwei Kinder im Sandkasten wollen beide ein bestimmtes Förmchen, aber nur eines von beiden kann es haben. Hier wäre es ein äußerer Konflikt zwischen zwei Menschen. In diesem äußeren Bereich kann es aber auch Konflikte zwischen Protagonist und Natur geben – wie bei Dwayne Johnson in „San Andreas“ – oder zwischen Protagonist und Gesellschaft – wie bei Henrik Ibsens Drama „Ein Volksfeind“ oder zahlreichen Robin Hood-Verfilmungen.
Schließlich mag es sich auch um einen inneren Konflikt handeln, bei dem sich unser Protagonist schier zerrissen fühlt zwischen zwei Wünschen – oder bei dem er alte Gewohnheiten und innere Widerstände überwinden muss. Solchen Konflikte begegnen wir in Charles Dickens´ weltberühmter Erzählung „A Christmas Carol“, aber natürlich auch in Pop und Hip-Hop, etwa in dem Song ➤ „Jein“ von „Fettes Brot“.
Konflikte können sich auch ändern oder überlagern, so dass aus einem inneren Konflikt ein äußerer Konflikt wird. Erst liegt die Entscheidung in unserem Protagonisten und dann, wenn er oder sie die Seiten gewählt hat, wird der Konflikt auch äußerlich sichtbar. Konflikte entwickeln sich, sie entscheiden sich nicht gleich beim ersten Aufeinandertreffen der Parteien. Was zuerst wie ein kleines und vorübergehendes Problem aussieht, das sich vielleicht noch lösen ließe, wächst im Verlauf der Story zu einem größeren Konflikt heran, der in einer Katastrophe endet. So ergeht es beispielsweise Gregor Samsa in Franz Kafkas Geschichte „Die Verwandlung“.
Übrigens hat schon Aristoteles die Anlage des Konfliktes („Desis“) beschrieben. Hier werden die Handlungsstränge so angeordnet, dass ein Konflikt entsteht, der sich zum Höhepunkt entwickelt und dann in der „Lysis“ wieder aufgelöst werden muss. Der Schluss einer Geschichte bedeutet aber nicht zwangsläufig ein „glückliches Ende“, sondern die Rückkehr zum Gleichgewicht, sei es positiv oder negativ.
Wichtig ist also am Ende der Geschichte, dass alle Handlungsfäden soweit abgeschlossen sind, dass der Konflikt nicht sofort erneut aufflammt. Stattdessen befinden sich die Figuren der Geschichte wieder in einem Gleichgewicht, in dem wir sie allein lassen können. Denn auch für uns bleiben keine Verständnisfragen zur grundlegenden Handlung offen.